Als Koproduktion mit Opernhäusern in Paris, Montpellier, Toulouse und Rom entstand Damiano Michielettos Inszenierung von Händels Giulio Cesare in Egitto, die nun in das Opernhaus von Leipzig kam. Der begeisterte und anhaltende Beifall nach der dritten Aufführung am 16. 4. 2023 bewies das gewachsene Interesse des Publikums an Werken des Barock. Aber der Applaus galt auch einer musikalisch exzellenten Aufführung, die Rubén Dubrovsky am Pult des Gewandhausorchesters mit Engagement und Umsicht leitete. Der Klang des Orchesters war lebendig und pulsierend, delikat und transparent. Exquisite Instrumentalsoli kündeten vom hohen Niveau der Orchestermusiker – so der Hornist Bernhard Krug, der Cesares „Va tacito“ phänomenal begleitete und auch im Finale brillierte, oder der Geiger Andreas Buschatz, der das „Se in fiorito ameno prato“ des Titelhelden virtuos ausschmückte.
Bis auf zwei waren alle Partien aus dem hauseigenen Ensemble besetzt. Nur für die beiden Countertenöre wurden Gäste verpflichtet. In der Titelrolle war der Ukrainer Yuriy Mynenko zu hören – international renommiert und spezialisiert auf Alte Musik. Schon in der Auftrittsarie, „Presti omai“, imponierten die klangvolle Stimme mit substanzreicher Tiefe und die mühelos bewältigten Koloraturläufe. Hinreißend die Verve in „Empio, dirò tu sei“, die Verzierungen und eine ausgedehnte Kadenz im Da capo von „Va tacito“, der betörende Wohllaut von „Se in fiorito ameno prato“, die Vehemenz bei „Al lampo dell’armi“. Ein Prüfstein der Partie ist das große Solo „Aure, deh, per pietá“ im 3. Akt, welches eine schwebende Tongebung und schwerelose Koloraturen verlangt. Mynenko meisterte diese Herausforderungen bravourös. Der zweite Gast war Rémy Brès als Tolomeo, der in seinem effeminierten, dekadenten Auftreten optisch einen starken Kontrast zum Titelhelden abgab, was die extravagante Kostümierung von Agostino Cavalca noch unterstützte. Auch stimmlich gab es Unterschiede, wenngleich der Sänger das „L’empio, sleale“ ähnlich vehement servierte wie Mynenko seine Arien.
Eine glanzvolle Interpretation der Cleopatra bot Olga Jelinkovà in spektakulären Roben, die zuweilen ähnlich glitzerten und funkelten wie ihr Gesang. Da sind vor allem ihre Bravourstücke „V’adoro, pupille“ und „Da tempeste“ zu nennen, wo sie ein stupendes Koloraturfeuerwerk entfachte, Noten in der Extremlage interpolierte und die Da capi variierte. Mit ihrer reichen Ausdruckspalette wurde sie auch der Koketterie in „Non disperar“, der innigen Empfindung in „Se pietà“ und der kunstvollen Lyrik in „Piangerò“ gerecht. Würdevoll und distinguiert erschien Ulrike Schneider im strengen dunklen Kostüm als Cornelia. Die tiefe Trauer von Pompeos Witwe vermittelte sie glaubhaft mit herb getöntem Mezzo von resoluter Tiefe und gelegentlich schmalem Volumen. Sehr schön war der Zusammenklang ihrer Stimme mit der von Kathrin Göring als Sesto, was beider Duett „Son nata a lagrimar“ zu einem musikalischen Höhepunkt werden ließ. Sesto begeisterte darüber hinaus auch mit seiner Energie bei „Svegliatevi nel core“ und dem jugendlichen Ungestüm bei „La giustizia“. Auf hohem Niveau auch die kleineren Partien: Peter Dolinsek als Curio mit sonorem Bass, Franz Xaver Schlecht als Achilla mit markigem Bariton, der in dem rasenden „Tu sei il cor“ Effekt machte, und Nora Steuerwald en travestie als Nireno.
Paolo Fantin hat für die Inszenierung einen hellen, schmucklosen Raum auf die Bühne gestellt, dessen hintere Wand sich heben kann und dann einen schmalen dunklen Ausschnitt frei gibt. Es ist das Reich der drei Parzen (Anita Gotthardt, Sophia Hofmann, Maike Wolff), die hier ihre roten Schicksalsfäden weben. Sie tragen später Tierschädel auf den Köpfen und in den Händen eine Sanduhr, Waage und Garnspindel. Schon zur Ouverture sah man Cesare im blauen Anzug wie in einem roten Netz in ihren Fängen. Eine weitere hinzu erfundene Figur der Regie ist der von Tolomeo ermordete Pompeo (Florian Schön), der seine eigene Urne trägt und am Ende als Statue auf einem Marmorsockel steht. Den Jubel des Schlussduettes zwischen Cesare und Cleopatra bricht der Regisseur, indem er die Historie mit dem Mord an Cesare durch Brutus im Jahre 44 vorwegnimmt und im Hintergrund historisch gewandete Römer auftreten lässt, denen der Kaiser zum Opfer fällt.
Bernd Hoppe, 20. April 2023
Giulio Cesare in Egitto
Georg Friedrich Händel
Oper Leipzig
3. Aufführung am 16. April 2023
Premiere am 1. April 2023
Inszenierung: Damiano Michieletto
Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Gewandhausorchester Leipzig