Salzburg: Konzert der Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann mit Elina Garanča

Vorstellung am 3. August 2021

Wieder ein großes Salzburger Trio!

Nun gab es das zweite Konzert der Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann mit Elina Garanča bei den Salzburger Festspielen 2021, also von einem Trio, das schon im Vorjahr das Publikum begeisterte. Und so war es auch diesmal wieder.

Mit den Rückert-Liedern ging Gustav Mahler von der „Identität von Ton und Wort“ aus, um zu einer „organischen Verschmelzung“ von lyrischer Vorlage und Musik zu gelangen, wie Harald Hodeige im Programmheft darstellt. Dass er damit auch eine Sehnsucht nach Verinnerlichung verband, die ihn möglicherweise auch von einem Rückzug in eine Welt der Ruhe und des Friedens träumen ließ, angesichts seines bekanntlich nicht ganz ruhigen Berufes als Wiener Hofoperndirektor, das merkte man dem Gesang der lettischen Mezzosopranistin Elina Garanča schon in den beiden ersten Liedern, „Ich atmet‘ einen linden Duft“ und „Liebst Du um Schönheit“, auf jeder Note an. Ruhig ließ sie ihr klangvolles Material bei guter Diktion strömen, mit einer feinfühligen Orientierung durch Thielemann, der direkt seitlich vor ihr stand und jede noch so feine Nuance vorzugeben schien, natürlich auch dem Orchester. Im Lied „Um Mitternacht“ steigerte Garanča die Verzweiflung des in den Sternen Trost Suchenden mit einem sich langsam zum Forte aufbauenden klangvollen Crescendo bis zu dem Punkt, an dem er erkennt, dass der Mensch die Schlacht um die Leiden der Menschheit nicht gewinnen kann und ihr Schicksal in die Wacht des Herrn um Mitternacht abgeben muss. Mit dem folgenden „Blicke mir nicht in die Lieder!“ setzte Garanča einen starken Kontrast zum melancholischen „Mitternacht“ und ließ eine gewisse Koketterie in ihrer Aufforderung hören, wenn die Bienen die reichen Honigwaben zu Tag gefördert haben und sie die Hörer – sicher im übertragenen Sinne – bat: „Dann vor allem nasche Du!“

Nahezu völlige Entrückung bot aber Garančas Interpretation des letzten und wohl bekanntesten Liedes „Ich bin der Wert abhanden gekommen“. Thielemann ließ zuvor eine extra große Pause verstreichen, um die besondere Tragweite gerade dieses Liedes hervorzuheben. So war die Spannung im Großen Festspielhaus mit den Händen zu spüren. Mit wirklich authentisch erscheinender Verinnerlichung lotete die Sängerin mit der Tiefe ihres Mezzo den Verlustschmerz der Welt aus, in der sie sich gestorben glaubt. Das finale „Ich leb‘ allein in meinem Himmel, in meinem Lieben, in meinem Lied!“ fasste eigentlich alles zusammen, was sie sowie Thielemann mit den Wienern an diesem Abend zu Mahler sagen wollten. Es klang wie aus einer anderen Welt…

Einen bisweilen sehr starken Kontrast dazu bot natürlich die Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107 von Anton Bruckner nach der Pause. Es ist sicher keine Überraschung, wenn man hier festhält, dass Christian Thielemann sich auf diesen Komponisten besonders gut versteht. Wenn dann noch die Wiener Philharmoniker dazu kommen, ist eigentlich ganz Großes zu erwarten. Das wurde auch an diesem Abend wieder eingelöst, zur einhelligen Begeisterung des Festspielpublikums.

Schon im Kopfsatz ließ Thielemann seine Versatilität bei der komplexen Architektur des Allegro moderato spüren. Der Satz erhielt so innere Spannung, und das finale Klanggewitter unter Führung des schweren Blechs wirkte wie zwangsläufig aus dem Gewebe des zuvor Musizierten entstanden, ohne auch nur ansatzweise in plakative Lärmentwicklung zu geraten. Im folgenden Adagio: Sehr feierlich und sehr langsam hatte Bruckner, der während der Arbeit an der Siebten vom Tode Richard Wagners erfuhr, nach dem emphatischen C-Dur-Höhepunkt des Satzes als Wagner-Tombeau einen ergreifenden Bläsersatz mit den von Wagner selbst konzipierten Wagnertuben und den Hörnern hinzukomponiert, wie Harald Hodeige im Programmheft präzisiert. Später setzte er vier Takte dieser Trauermusik für Wagner noch für die Wagnertuben an den Beginn des Adagio. Wie Thielemann das dann dem Orchester entlockte, ließ natürlich auch seine große Verehrung des Bayreuther Meisters erkennen. Seine Einsätze für die Tuben wirkten nahezu wie ein Zelebrieren. Und ihr Klang war ganz einfach umwerfend und ließ einen natürlich für einen Moment in die Welt Wagners und seinen „Ring“ eintreten. Im Adagio kamen auch die großen Streicherlinien mit dem zentralen Thema zu eindrucksvoller Wirkung, ja es entstand ein klingender Streicherteppich. Im Scherzo zog Thielemann das Tempo an, ohne jedoch von der satzübergreifenden Harmonie seiner Interpretation der Siebten abzuweichen. Im kurzen Finale: Bewegt, doch nicht schnell ließ er noch einmal das ganzen Potential der großen Musik Bruckners durch die Wiener erklingen. Eine Interpretation seiner 7. Symphonie wie aus einem Guss!

Fotos: Salzburger Festspiele/Marco Borelli

Klaus Billand/3.9.2021

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