Dresden, Ballett: „Wonderful World“, Kinsun Chan, Martin Zimmermann

Für die Eröffnung der neuen Spielzeit hatte das Semperoper Ballett einen ungewöhnlichen Auftrittsort gewählt. Im Kleinen Haus des Staatsschauspiels wurde das Tanztheaterstück Wonderful World von Kinsun Chan und Martin Zimmermann gezeigt. Ersterer ist der neue Ballettdirektor der Dresdner Compagnie, dessen Arbeit 2022 vom MZ Atelier und Theater St. Gallen uraufgeführt wurde und am 17. 10. 2024 ihre Dresdner Premiere erlebte.

© Admill Kuyler

Zimmermann erdachte das Konzept und war verantwortlich für die Bühnengestaltung – ein schwarz ausgeschlagener Raum mit einer Tanzfläche auf halber Höhe, deren Halterung später von einem Schläger mit schwerem Hammer zertrümmert wird, was den Boden kippen lässt und in eine bedrohliche Schieflage bringt. Dabei hatte alles so ausgelassen und turbulent begonnen. Eine Schar extravaganter Paradiesvögel in schwarzen Fetzen, reichlich Silberschmuck und viel nackter Haut rockte zu den monoton hämmernden Rhythmen von Hans-Peter Pfammatter und Daniel Steffen unter lautem Gekreisch und exaltiert-tuntigem Gebaren – für ältere Zuschauer eine Prüfung. Das jüngere Publikum hatte offensichtlich großen Spaß an dieser Performance – und die Tänzer ebenso. Man kann ihnen auch totalen Einsatz, hohes Tempo und rasante körperliche Aktionen nicht absprechen. Für viele Nonsens-Episoden – eine bucklige Hexe wie aus dem Märchenbuch, eine Frau, die hysterisch in italienischer Sprache ins Telefon plappert, ein Mann, der unablässig eine Champagnerflasche balanciert, ein anderer, der das Publikum zum Klatschen animiert – sind sie nicht verantwortlich zu machen.

© Admill Kuyler

Die schrille Discoklub-Atmosphäre wandelt sich im zweiten Teil abrupt in eine bedrückende Totentanz-Stimmung. Eine Horde schwarzer Gestalten in Hoodies (Kostüme: Chan/Zimmermann und Anja Jungheinrich) formiert sich zum aggressiv marschierenden Block und schwenkt die schwarze Fahne. Auf dem Boden liegende leblose Körper werden zu einem Haufen aufgetürmt, die alte Hexe schaut mit einem weißen Fähnchen aus einer Luke und singt mit Fistelstimme Louis Armstrongs „What a Wonderful World“. Die Utopie dieses Songs wirkt wie ein Lebenselixier – die schwarz Vermummten tanzen halbnackt und in gemeinsamer Umarmung, den Song, den nun eine junge Tänzerin anstimmt, mitsummend. Der mit 65 Minuten reichlich kurze Abend wurde vom Publikum mit tosendem Applaus bedacht.

Bernd Hoppe, 21. Oktober 2024


Wonderful World
Hans-Peter Pfammatter/Daniel Steffen

Semperoper Ballett
im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden

Premiere: 17. Oktober 2024

Choreografie: Kinsun Chan/Martin Zimmermann