Berlin hat eine neue Kammertänzerin.
Nach der Aufführung von Adams Ballett Giselle am 17. März 2024 in Patrice Barts Choreografie (nach Coralli und Perrot) wurde die Interpretin der Titelpartie, Iana Salenko, vom Senator für Kultur Joe Chialo zur Berliner Kammertänzerin ernannt. Die Ukrainerin ist seit 2005 Mitglied des Staatsballetts Berlin, wo sie 2007 zur Ersten Solotänzerin ernannt wurde. Alle großen Hauptpartien hat sie in ihrem Repertoire, auf allen bedeutenden Tanzbühnen der Welt hat sie gastiert. Die Giselle ist eine ihrer Glanzrollen (neben der Aurora in Dornröschen und der Odette/Odile in Schwanensee). Auch am 17. März brillierte sie mit ihrer staunenswerten Virtuosität und der leichtfüßigen Gewandtheit.
Man mag ihre neckische Attitüde im 1. Akt aufgesetzt finden, im 2. überwältigten ihr starker, schmerzlicher Ausdruck und die ätherische Umsetzung der Figuren. Stupend das Erwachen in seinem rasanten Wirbel, wunderbar die fliehenden Arabesques, berührend der Abschied von Albrecht. In Kalle Wigle hatte sie einen sehr jugendlichen Partner, dem es für den Herzog an aristokratischer Aura fehlte. Aber für den Demi-Soltänzer ist die Partie gleichermaßen eine besondere Herausforderung wie ungewöhnlicher Vertrauensbeweis. Wie er die anspruchsvolle Aufgabe bewältigte, zeugt von seinem hohen technischen Potential und ist ein Versprechen für die Zukunft. Perfekt die Hebungen, fast makellos die Variation im 2. Akt, erstaunlich die Wandlung des Ausdrucks vom unbekümmerten Burschen im 1. zum gereiften Mann im 2. Akt. Im Vergleich zu ihm hatte Erick Swolkin als Hilarion die männlichere Ausstrahlung und überzeugte auch mit seiner starken Mimik und Gestik. Michelle Willems und Murilo de Oliveira gefielen mit einem gediegenen Bauern-Pas-de-deux, Vera Segova war eine hoheitsvolle, technisch versierte Myrtha. Hochzuloben sind das Corps de ballet für seine mirakulöse Präzision und die Staatskapelle Berlin für das einfühlsame Spiel unter Marius Stravinsky.
Bernd Hoppe, 19. März 2024
Giselle
Adolphe Adam
Staatsballett Berlin
Staatsoper Unter den Linden
Aufführung am 17. März 2024
Choreografie: Patrice Bart (nach Jean Coralli und Jules Perrot)
Musikalische Leitung: Marius Stravinsky
Staatskapelle Berlin