Staatsoper Berlin: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2024/25“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach dem Theater im Revier Gelsenkirchen blicken wir heute auf die Staatsoper unter den Linden, Berlin. .


Die vergangene Spielzeit 2024/25 lediglich nach den Opernaufführungen zu beurteilen, wäre eine enorme Ungerechtigkeit, denn da müsste herb zu Buche schlagen, dass Generalmusikdirektor Christian Thielemann erst am Ende der Saison seine einzige Premiere, Richards Strauss‘ Die schweigsame Frau, verantwortete, und auf die eigentlich vorgesehene in der nächsten Saison hat er wegen der Sparmaßnahmen des Berliner Senats bereits verzichtet, wird dafür aber, was eigentlich nicht vorgesehen war, wieder die Strauss-Komödie dirigieren. Thielemanns Schwerpunkt lag auf dem Konzertleben, das in ungewöhnlich reicher und erfolgreicher Form angeboten und goutiert wurde und einen seiner Höhepunkte im Konzert auf dem Bebelplatz für alle, die die Hitze ertrugen, ein wunderbares Erlebnis darstellte.

Hier steht der Opernspielplan zur Diskussion, der an den Beginn der Saison einen wegen seiner prunkvollen Optik teils bewunderten, teils verhöhnten Nabucco stellte, zur aber allgemeinen Freude mit teils altbewährten, teils neu zu entdeckenden Sängerstimmen für Aufsehen und ausverkaufte Vorstellungen sorgte. Als Übernahme aus Wien schockierte eine nachttopftragende Norma mit Happy End, auch Roméo et Juliette war jede Romantik ausgetrieben. Humorvoll, zugleich auch sich erinnerndes Betretensein auslösend, war Janáčeks Die Ausflüge des Herrn Brouček mit dem janáčekverliebten Sir Simon Rattle einer der Höhepunkte, auf interessante Weise verband die deutsche Erstaufführung von Bernard Foccroulles Cassandra antike Tragödie mit moderner Problematik, gelang György Kurtág mit seiner einzigen Oper, Fin de Partie, absurdes Theater in Musik zu setzen, und der Staatsoper, dazu die angemessene Optik zu kreieren.

Ungerecht wäre es, die Repertoirevorstellungen zu vernachlässigen, unehrlich aber auch, über die Fülle von Produktionen und Sängern, die man hätte erleben können, ein Urteil abgeben zu wollen. Allerdings kann man behaupten, dass die Mehrzahl gut oder sehr besetzt waren, zumindest auf dem Papier.

Beste Produktion:
György Kurtágs Fin de partie

Größte Enttäuschungen:
Norma und Roméo et Juliette

Beste Wiederaufnahme:
Der Rosenkavalier

Bester Gesang, Hauptrolle:
Anna Netrebko als Abigaille
Katarin Bradiċ als Cassandra
Peter Hoare als Brouček

Bester Gesang Nebenrolle:
Stephan Rügamer mit vier und Gyula Orendt mit drei Rollen in Die Ausflüge des Herrn Brouček

Bestes Dirigat:
Christian Thielemann in Die schweigsame Frau

Beste Bühne:
Kaspar Glarner mit Fin de partie


Die Bilanz zog Ingrid Wanja.