Meiningen: „La Rondine“

Giacomo Puccini

Premiere Freitag, 29. November 2019

Puccini wäre begeistert gewesen

Magda de Civry führt als die Geliebte des Bankiers Rambaldo ein Leben in Luxus aber auch in einer gewissen Routine und Langweiligkeit. Man hat Gäste, unterhält sich über Kunst und tauscht Belanglosigkeiten aus. Als ihr der Dichter Prunier aus der Hand liest und ihr prophezeit, dass sie wie eine Schwalbe der Liebe entgegenfliegen werde, weckt dies Erinnerungen an pubertäre Erlebnisse. Ruggero, der Sohn eines Bekannten des Bankiers , ist das erste Mal in Paris und die Damen schicken ihn ins „Bullier“, damit er den Mythos Paris kennen lernt. Magda denkt an die Zeit zurück, in der sie sich dort zum ersten Mal verliebte. Als junges Mädchen verkleidet erscheint sie in diesem Tanzpalast, trifft Ruggero, die beiden verlieben sich und sie verlässt Rambaldo. Einige Zeit leben sie unbeschwert in einem Hotel an der Côte d’Azur, doch als das Geld knapp wird, schreibt er seinen Eltern, bittet um Hilfe und das Einverständnis zur Hochzeit. Noch weiß Ruggero nichts von der Vergangenheit seiner Geliebten. Sie gesteht ihm alles. Auch wenn Ruggero sie trotz dem heiraten will, entscheidet sie sich zum Weggang, der sie vor einer Zukunft in der Provinz bewahrt. Sie trifft diese Entscheidung für sich und nicht, um den Ruf des Geliebten zu beschädigen. Zurück bleibt ein weinender Ruggero und die „Schwalbe“ fliegt in den Sonnenuntergang. Warum allerdings ein brennender Flügel am Strand entlang fährt, gibt dem Publikum Rätsel auf.

Der erste Akt spielt in Magdas Salon. Das Bühnenbild Helge Ullmanns, eine Installation aus bizzarr geometrischen Formen disharmonischer gezackter Wände in Blau-Grau-Tönen. Kostüme in Schwarzweiß erinnern an den Stil der 50er Jahre, die Zeit Grace Kellys. Elif Aytekin in der Rolle der Magda, eine Gastgeberin voll Anmut und Grazie, verzaubert vom ersten Augenblick an mit edlen Piani und der feingesponnenen Höhe ihres Filigransoprans. Anspruchsvolle Gesangspartien mit hohen Tönen, die zwei Oktaven umfassen, ein immer wiederkehrendes Thema , voller Sensibilität und Leichtigkeit.

Ruggero, Alex Kim , entspricht als zart schmelzender, flötender Tenor ganz dem Bild des noch unverdorbenen jungen Mannes. Sein jugendliches Timbre steigert sich bis zum Schlussakt, wenn er niedergeschmettert von der Entscheidung Magdas seinem Schmerz Ausdruck gibt. Regine Sturm, als Lisette, Dienstmädchen und Vertraute Magdas, kokett, frech, soubrettig und Robert Bartneck, als erfolgloser Dichter erheitern das Publikum als ideales Buffo Duo mit ihrer burlesk komödiantischer Darbietung.

Schauplatz des zweiten Akts ist der Tanzpalast mit einem witzigen Kontrastpublikum: Studenten, die die neue „Schöne“ bedrängen, vergnügungshungrige Mädchen, unförmige Weiber, brutale Kerle, Halbweltmillieu. Die Musik ist anders, Trinklieder, Modetänze wie Tango, Slow-Fox und One-Step und Walzer sind ein Tribut an die Operette. Hier brilliert und akzentuiert das Balletensemble Eisenach unter der Leitung von Andris Plucis . Ein Regen von Rosenblättern, und die Lichtinstallationen in Rottönen wirken nicht kitschig. Geigen schluchzen, zarter Schmelz nicht Schmalz begleiten Liebesszenen, Getöse und Geschepper die vulgären.

Jae –Pyung Park wählt unaufdringliche Videotechnik und lässt mit Schwalbenflug zwischen dem ersten und zweiten Akt schon das Ende erahnen. Die maritime Atmosphäre im dritten Akt: Sanfte Wellen im Hintergrund, blauer Himmel, ein Liegestuhl am Strand, im Vordergrund ein großes weißes Bett erwecken die Illusion heller, unbeschwerter Tage des Glücks. Dann aber lodern Flammen als Sinnbild der Zerstörung.

Dieses Spätwerk Puccinis ist keinesfalls ein Reinfall. Es ist ein Kunstwerk, das den Spagat zwischen Oper und Operette, zwischen Komik und Tragik in einer Zeit des Umbruchs geschafft hat. Es steckt voll von bezaubernden Melodien. Alles ist fließend, harmonisch ohne Längen und von einer Leichtigkeit, eine lyrische Komödie eben.

Regisseur Bruno Berger-Gorski (Bild rechts) der weltweit mehr als 100 Werke des

Musiktheaters inszeniert hat, ist es gelungen, einen Schatz zu heben. Und das in einer Stimmigkeit, wie es so manche moderne Inszenierung vermissen lässt.

Die Meininger Hofkapelle unter der Leitung von Leo McFall betont die Leichtigkeit des Stückes. Geschmeidig, einschmeichelnd, fast obszön unterstrichen die Liebesszenen, derb, krass und randalierend dort, wo es Wirbel gibt. Musik, Handlung, Darsteller, Lichtinstallationen und Kulissen verschmelzen zu einem ganz besonderen Erlebnis. Die Kostümbildnerin Francoise Raybaud, die in Triest lebt, hat einen ausgesprochenen Sinn für dieses Projekt. Das Ergebnis ist perfekt bis ins Detail und trägt mit diesen akzentuierten Kreationen zu einem beeindruckenden Ergebnis bei.

Das Premierenpublikum war begeistert und Puccini wäre es bestimmt auch gewesen.

Inge Kutsche, 1.12.2019

Bilder (c) Marie Liebig

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PS

Bitte lesen Sie auch den interessanten Vergleich der drei existierenden Komplettaufnahmen dieser seltenen Oper, die Peter Klier im OPERNFREUND rezensiert hat.