Wenn Graf Danilo sich ordentlich amüsieren will, geht er ins Maxim. Das befindet sich allerdings in Paris und ist ziemlich weit weg von Bremerhaven. Aber für die Bremerhavener gibt es eine Alternative: Sie gehen ins Stadttheater und schauen sich Die lustige Witwe von Franz Lehár an. Dort werden sie auch gut unterhalten. Das Premierenpublikum bestätigte das mit begeistertem Schlussbeifall für eine insgesamt gelungene Inszenierung.
Regisseurin Isabel Hindersin wollte das Stück „ein bisschen frecher machen und in unsere Zeit mitnehmen“. Vielleicht meinte sie damit die kleinen Eingriffe in das Libretto und in die Handlung, die im Kontext zur Entstehungszeit stehen und nicht mehr zeitgemäß sind? So wird beim berühmten Weibermarsch nicht nur der Stoßseufzer der Männer „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ gesungen, sondern die Frauen dürfen das gleiche über die Männer sagen. Und eine dritte Strophe „Ja, das Studium der Menschen ist schwer“ wird auch noch angehängt. In der Originalhandlung geht das Vermögen von Hanna Glawari durch ihre Heirat an den Ehemann über. Hier hat sie es bereits einfach verprasst. Das Geld ist jedenfalls nicht mehr da und so dürfte die mit herabfallenden Tapeten ziemlich heruntergekommene pontevedrinische Botschaft (Bühnenbild von Tanja Hofmann) weiterhin auf bessere Zeiten warten. Stimmungsvoll und eleganter hingegen ist das Paris-Bild mit Eiffelturm im Hintergrund.
Aber ansonsten wird trotz der Eingriffe gute, alte Operette gespielt, durchaus mit ironischen Seitenhieben. Die Männergesellschaft, die die vermeintlich reiche Witwe umschwirrt, ist eine Versammlung von Trotteln, angeführt vom Botschafter Mirko Zeta. Dessen Gattin Valencienne ist keineswegs immer die „anständige Frau“, wie sie behauptet. Im Gegenteil – im Vollrausch lässt sie ihren Verehrer Rosillon ganz schön nahe an sich ran. Gut gelungen sind auch die wirbelnden Tanzeinlagen (Choreografie Rosemary Neri-Calheiros) in bunten Phantasiekostümen. Beim Auftritt der Grisetten haben sich sogar männliche Exemplare daruntergemischt. Für Stimmung ist gesorgt, ganz besonders in dieser Szene.
Bei der Lustigen Witwe reiht sich ein Ohrwurm an den anderen. Der sehr erfahrene Hartmut Brüsch am Pult des Philharmonischen Orchesters kostet diese Musik souverän und in vollen Zügen aus. Die Walzermelodien werden feinsinnig zelebriert, bei den schwungvollen Teilen zieht er das Tempo an und sorgt ordentlich für Drive. Operette ist bei ihm immer in guten Händen.
Bremerhavens vielseitiges Traumpaar Signe Heiberg und Konstantinos Klironomos prägen als Hanna Glawari und Graf Danilo auch diese Produktion. Manchmal sind ihre Stimmen fast zu mächtig, aber wie Klironomas seine Partie mit sinnlichem Tenorschmelz gestaltet und Heiberg eine selbstbewusste Hanna mit einem sehr kunstvollen Vilja-Lied serviert, ist große Klasse. Das Duett „Lippen schweigen“ gestalten beide mit inniger Einfühlsamkeit. Da bleiben keine Wünsche offen.
Als Valencienne begeistert Victoria Kunze, die wie ein Wirbelwind über die Bühne fegt, mit ihrer schönen Stimme besondere Akzente setzt und komödiantisches Talent zeigt. Ihrem Verehrer Rosillon, dargestellt von Andrew Irwin, hätte man etwas von den Tenorqualitäten seines Kollegen gewünscht. Ulrich Burdack überzeugt als Botschafter Zeta vor allem darstellerisch. Njegus, der Kanzlist der Botschaft, ist eigentlich eine Sprechrolle. Aber weil man für diese Rolle Hans Neblung zur Verfügung hat, gönnte man ihm im letzten Akt ein Couplet, das er in schrillem Kostüm serviert.
Wolfgang Denker, 5. Februar 2024
Die lustige Witwe
Operette von Franz Lehár
Stadttheater Bremerhaven
Premiere am 3. Februar 2024
Inszenierung: Isabel Hindersin
Musikalische Leitung: Hartmut Brüsch
Philharmonisches Orchester Bremerhaven
Weitere Vorstellungen: 8., 10. 18., 23., 27. Februar, 10., 30. März, 5., 28. April, 12., 23. Mai 2024