Gastspiel des Staatstheaters Meiningen am 21.12.2013 (Premiere dort am 18.10,)
Oft gehört und wieder einmal beeindruckend dargeboten
Vor wenigen Wochen war ich in einer aufsehenerregenden Aufführung von „Il Puritani“ in Meiningen und die gleichen Sänger gaben nun „Rigoletto“. Im Juni wollte ich mit meinen Freunden nach Meiningen, um ihn mir anzuhören, aber da das Südthüringische Staatstheater Meiningen im Dezember mit „Rigoletto“ in Fürth gastierte, musste ich natürlich unbedingt dort hin, zu groß war die Vorfreude auf die musikalischen Genüsse. Das Stadttheater Fürth, mitten in der Innenstadt gelegen, wurde in den Jahren 1901 und 1902 im neubarocken Stil erbaut. Die Inneneinrichtung folgt dem Stil des Neurokoko und ich muss zugeben, dass ich dieses kleine, aber wunderschöne Theater liebe. Die Fassaden schmücken sechs Repräsentanten aus dem Bereich der Musik und des Schauspiels in Form von Bildnismedaillons oder Büsten über den Fenstern. Das Theatergebäude ist zu einem Denkmal der deutschen Sprach- und Musikkunst geworden. Die Atmosphäre ist einfach einzigartig, dies kann man auch von der Akustik sagen. Leider sind im Stadttheater Fürth nur musikalische Gastspiele zu hören und zu sehen, da das Haus selbst kein eigenes Musikensemble beschäftigt. Seit 1990 leitet Werner Müller als Intendant das Stadttheater und entwickelte das sogenannte Drei-Stufen-Modell, welches das Theater vom Gastspielbetrieb über Koproduktionen bis hin zu regelmäßigen Eigenproduktionen führte. Pro Jahr werden ca. 250 Vorstellungen in den Spielstätten des Stadttheaters für weit über 100.000 Zuschauer realisiert. Es lohnt mit Sicherheit einen Besuch, wozu ich nur herzlich auffordern kann.
Gekommen war ich um Dae-Hee Shin als Rigoletto zu erleben und mich vor allem von der wunderbaren Elif Ayetkin als Gilda und dem exzellenten Tenor Xu Chang als Herzog verzaubern zu lassen. Ich wollte einfach nur das Traumerlebnis der „Puritaner“ in „Rigoletto“ wiederauferstehen lassen. Mit diesen hohen Erwartungen fuhr ich nach Fürth und war – jedenfalls am Anfang – maßlos enttäuscht. Aus gesundheitlichen Gründen hatte Elif Aytekin absagen müssen und auch der von mir hochverehrte Xu Chang sang nicht an diesem Abend, sondern die zweite Besetzung Rodrigo Porras Garulo übernahm den Part des Herzogs. Diesen hatte ich in relativ schlechter Erinnerung aus der schwachen Darbietung des Edwin aus der Aufführung der „Csárdásfürstin“ in Meiningen. Ich konnte mich nur dadurch trösten, dass ich wusste, dass ich im Juni „Rigoletto“ wieder in Meiningen erleben würde – und dann hoffentlich in der „richtigen Besetzung“. Ja, es ist schon schön, wenn man voreingenommen ist, genauso schön ist es aber auch, wenn man dies einsieht und insgesamt eine ausgezeichnete Aufführung des „Rigoletto“ erleben durfte. Doch alles der Reihe nach.
Wollen wir erst einmal über die Inszenierung von Ansgar Haag den Mantel des Vergessens breiten. Er verlegt die Handlung nach Sizilien, in das Jahr 1962, er lässt Rigoletto bei einem Unfall einen Arm verlieren und der Arme hat nun keinen Buckel, muss sich aber mit einem kaschierten Arm herumschlagen. Für mich ergibt das Ganze keinen Sinn, weil nichts stimmig ist. Ein ausschweifender Weiberheld in den 70er Jahren ist nicht unbedingt wahrscheinlich, ein einziges Bühnenbild und ein kleiner Container, der einmal als Wohnung von Gilda dient, einmal als Schlafzimmer des Frauenverführers und einmal als Kneipe Sparafuciles reißt mich nicht vom Hocker. Dieses Einheitsbühnenbild von Kerstin Jakobssen passt vielleicht noch in den 3. Akt, in die Spelunke, aber mit Sicherheit nicht in den Palast des draufgängerischen Herzogs. Ach, wie schön wäre es, wenn nicht die Selbstverwirklichung manch abstruser Ideen im Vordergrund stehen würde, sondern die stimmige inszenatorische Begleitung einer herrlichen Musik – und auch einer tollen Handlung im Original. Sei es, wie es sei, Gott sei Dank hat Meiningen Sänger, die auch in Fürth alles aus dem Feuer reißen.
Generalmusikdirektor Philippe Bach hat, wie so oft, auch wieder einen ausgezeichneten Tag und es gelingt ihm mit straffer, aber gleichzeitig einfühlsamer Hand aus der Meininger Hofkapelle alles aus der zündenden Musik von Verdi herauszulocken. Und noch etwas gelingt dem gut aufgelegten Orchester, dass es nämlich die Stimmen der Protagonisten nicht mit riesigen Klangwogen zudeckt. Insgesamt eine ausgezeichnete Leistung des Orchesters und seines Dirigenten.
Beginnen wir mit dem einzigen aus der sensationellen Aufführung von „Il Puritani“ verbliebenen Sänger und zwar dem – trotz seines einbandagierten Armes – kraftvoll, ausdrucksstark, heldenbaritonal singenden Dae-Hee Shin. Er hat einen langen Atem, eine durchschlagskräftige Höhe, aber auch die Möglichkeit zarte lyrische Passagen über die Rampe zu bringen. Ihm, der ja zu einer der Säulen in Meiningen gehört, gebührte zu Recht langanhaltender Beifall. Als Gilda war Gaseul Son für die erkrankte Elif Aytekin eingesprungen und sie war mehr als eine Einspringerin. Zerbrechlich und zierlich stand sie auf der Bühne, umso erstaunlicher wie sie von zarten berührenden lyrischen Passagen bis zu dramatischer Gestaltungskraft auftrumpfen konnte. Der Herzog wurde von Rodrigo Porras Garulo verkörpert – und er verkörperte ihn exzellent. Schon vom Erscheinungsbild der „geborene Verführer“ wartete er auch mit einem schmetternden Tenor auf, sowohl in den lyrischen Teilen, aber noch mehr im auftrumpfenden Forte mit glasklar gesetzten Spitzentönen konnte er voll überzeugen. Den Halsabschneider Sparafucile gab Ernst Garstenauer mit raumfüllender Bassorgel. Seine Schwester Maddalena wurde von Carolina Krogius verführerisch in Szene gesetzt, ihre körperlichen Reize bewusst ausspielend, konnte sie auch mit ihrer angenehmen dunkelgefärbten Altstimme überzeugen. Stephanos Tsirakoglou als Monterone, Kuksung Han als Ceprano, Camila Ribero-Souza als seine Frau, Marian Krejcik als Marullo, Stan Meus als Borsa, Ute Dähne als Giovanna und Dimitar Sterev als Kommissar vervollständigten das eindrucksvolle Ensemble, bei welchem kein Ausfall zu verzeichnen war.
Ich muss zugeben, dass ich trotz der hervorragenden Vorstellung gespannt bin auf den Juni, wenn ich in Meiningen die Alternativbesetzung erleben werde. Dieser „Rigoletto“ in dem wunderschönen Fürther Theater jedoch konnte mich bereits schon voll überzeugen.
Manfred Drescher, 14.01.2014
Fotos 1+2 = foto-ed Meiningen, 3 = Eigenaufnahme