Premiere am 24.09.2021
Marko Letonja zaubert Poesie herbei
Diese Premiere wurde deutlich von einem Gefühl beherrscht – dem Gefühl der Dankbarkeit. Dankbarkeit des Publikums, endlich wieder live eine Oper im Theater erleben zu können, und Dankbarkeit der Künstler, wieder auftreten zu können und Beifall zu erhalten.
Da spielte es auch keine Rolle, dass keine der ganz populären Opern gegeben wurde. Aber Das schlaue Füchslein von Leoš Janáček ist ein liebenswertes Werk, das die Natur, den Wald, die Tier- und die Menschenwelt märchenhaft charakterisiert, das den ewigen Kreislauf des Lebens und die Harmonie der Natur schildert. Janáček gelang mit diesem Werk eine Art tschechischer „Sommernachtstraum“.
Für Bremens GMD Marko Letonja war es eine besondere Premiere, denn er dirigierte wegen Corona erst jetzt erstmals im Theater am Goetheplatz. Und es war auch seine erste Begegnung mit diesem Werk.
Das schlaue Füchslein hat ungewöhnlich viele rein orchestrale Anteile – die Oper wird fast mehr vom Orchester als von den Sängern getragen. Die Bremer Philharmoniker spielen in reduzierter Besetzung die gut durchhörbare, mitunter kammermusikalisch feine Fassung von Jonathan Dove. Aber man vermisst nichts. Marko Letonja musiziert den vielfarbigen Orchestersatz mit strömendem Wohlklang und, setzt die dem Tonfall der Sprache abgelauschte Rhythmik präzise und delikat um. Den zahlreichen Zwischenspielen sichert er reiche Ausdruckskraft. Stets erklingt die Musik natürlich und absolut organisch. Letonja ist es, der die Poesie herbeizaubert und den Kreislauf der Natur in der Musik verdeutlicht.
Und das ist gut so, denn Regisseurin Tatjana Gürbaca schließt Natur und Wald völlig aus. Als Spielfläche dient eine schiefe Ebene (Bühne von Henrik Abt), die wie eine kleine Zirkusarena aussieht. Auf der Rückseite ist ein vollgestopftes Wohnzimmer als Dachs- bzw. Fuchsbau zu sehen. Die nicht unbedingt schönen Kostüme von Silke Willrett machen zwischen Mensch und Tier kaum Unterschiede. Für das Füchslein reicht ein rot-braunes Kleid. Die Hühner mutieren zu einer Art Zirkuskapelle. Eigentlich bilden Tier- und Menschenwelt einen großen Kontrast, aber Gürbaca hat die Grenzen beider Welten (ganz im Sinne Janáčeks) aufgehoben. Sie verschmelzen sogar, wenn der Förster und das Füchslein sich einen innigen Kuss geben. Hübsch wird das Liebeswerben des Fuchses um die Füchsin ausformuliert. Man hätte sich die Personenführung noch prägnanter, vielleicht auch humorvoller vorstellen können. Aber es gelingt Gürbaca szenischen Kreis zu schließen. Am Beginn und am Ende turnt eine Akrobatin an Tuchbahnen und die Äpfel kullern aus der Tasche des Försters. Der stirbt allerdings nicht im Einklang mit der Natur, so ist der Eindruck, sondern in einsamer Endzeitstimmung.
Die Sängerleistungen bewegen sich durchweg auf hervorragendem Niveau. Marysol Schalit als selbstbewusstes Füchslein, Christoph Heinrich als kantiger Förster und Nadine Lehner als eleganter Fuchs prägen die Aufführung nachhaltig. In weiteren Partien bewähren sich u. a. Stephen Clark als Landstreicher, Christian-Andreas Engelhardt als Schulmeister, Daniel Eggert als Dachs und Pfarrer sowie Ulrike Mayer als Försterin.
Wolfgang Denker, 26.09.2021
Fotos von Jörg Landsberg