am 15.Juni.2018
Addio Dortmund
Seit Eröffnung des jetzigen Opernhauses im Jahre 1966 blieben die drei letzten Intendanten nicht sehr lange in Dortmund, vergleicht man ihre Zeit z. B. mit dem benachbarten Essen, wo Stefan Soltesz fünfzehn Jahre lang GMD und Intendant war oder mit dem Staatstheater Kassel, wo Thomas Bockelmann seit vierzehn Jahren Intendant ist. Dafür wurden die Abschiede immer aufwendiger begangen. Nach sechs Jahren Intendanz von John Dew gab es eine kurze Zeremonie nach der letzten Vorstellung des von ihm inszenierten „Tristan“. Christine Mielitz lud zum Ende ihrer „Ära“ von acht Jahren alle Besucher der letzten von ihr inszenierten Premiere – „Trittico“ von Puccini – zum Imbiß ein und gab gleichzeitig eine Dokumentation bestehend aus zwei CD und einem Begleitheft heraus.
Jetzt verläßt Jens-Daniel Herzog nach sieben Jahren Dortmund in Richtung Staatstheater Nürnberg, wo er Intendant für alle Sparten und Operndirektor wird. Zum Abschied legte er unter dem Titel „Addio Dortmund“ mit dem Motto „Kein Opernscheiss“ ein umfangreiches Buch über seine Intendanz mit Interviews und vielen großformatigen Fotos vor. Erstaunlicherweise fehlt darin ein Hinweis auf eine der eindringlichsten Aufführungen seiner Intendanz, nämlich „Beatrice Cenci“ von Berthold Goldschmidt – Premiere am 26, Mai 2012. Zusätzlich veranstaltete die Oper am vergangenen Freitag, ebenfalls unter dem Motto „Addio Dortmund“, eine Abschiedsgala zusammen mit den Sängerinnen und Sängern, die unter Herzogs Intendanz in Dortmund engagiert sind oder es zeitweise waren, den Dortmunder Phiharmonikern unter der Leitung von Motonori Kobayashi und dem Opernchor noch einstudiert von Manuel Pujol, der ebenfalls die Oper Dortmund verläßt, um Chordirektor an der Oper Stuttgart zu werden.
Gezeigt wurde, wie Moderator Holger Noltze es nannte, insofern ein „musikalisches Bilderbuch“, als zu den Musiknummern an der Bühnenrückwand jeweils Produktionsfotos der entsprechenden Aufführung gezeigt wurden. So begann die Abschiedsgala zu den Klängen der „Nabucco“- Ouvertüre mit Filmausschnitten aus Inszenierungen des scheidenden Intendanten. Dabei waren zu sehen Ausschnitte aus den sehr gelungenen Aufführungen von Mozarts „Cosi fan tutte“ und „Anna Nicole“ von Turnage, die nach Nürnberg übernommen werden. Aber auch an die blutigen Verdi-Inszenierungen von „Don Carlo“ „Otello“ und „Nabucco“ wurde erinnert, wohl auch an den noch blutigeren „Tristan“ Dabei verstand es Herzog immer, mit den szenisch einsatzfreudigen Sängern seine Absichten konsequent dem Publikum zu vermitteln. Wie leider heute üblich wurden auch von ihm Ouvertüren und Vorspiele bereits mit Handlung auf der Bühne bebildert, ganz unpassend bei so bedeutenden Musikstücken wie der Ouvertüre zu „Don Giovanni“ oder dem Vorspiel zu „Tristan und Isolde“
Dies mag dem einen mehr dem anderen weniger gefallen haben, über eins sind sich alle einig, Jens-Daniel Herzog verstand es, stimmlich hervorragende Sängerinnen und Sänger zu entdecken und für die Oper Dortmund zu gewinnen. Von den am Abend nicht Anwesenden seinen genannt die Sopranistin Christiane Kohl, die Mezzo-Sopranistin Katharina Peetz, der Tenor Lucian Krasznec oder der Baß Christian Sist.
Letzterer war für die Abschiedsgala angekündigt, trat aber nicht auf. Es trat zuerst auf Kontinuität vermittelnd, weil noch zu Zeiten von Christine Mielitz engagiert, Julia Amos und sang aus Donizetti’s „Liebestrank“ mit perlenden Koloraturen und strahlenden Spitzentönen die Erfolgsarie „Prendi per me“ Die vor einigen Jahren in letzter Minute als Carmen eingesprungene Ileana Mateescu sang zusammen mit Christoph Strehl aus dieser Oper, wobei man letzteren viel mehr bewundert hatte, als er früher Nerone in Monteverdis „Krönung der Poppea“ sang, letztere aufgeführt im kleineren Raum „backstage“ mitten zwischen dem Publikum und mit sichtbarem Orchester – eine der Regie-Großtaten von Herzog. Ansonsten war Ileana Mateescu auf Hosenrollen spezialisiert, woran hier mit einem Ausschnitt aus dem „Rosenkavalier“ erinnert wurde, zusammen mit Anke Briegel als Sophie und Emily Newton als Marschallin. Aus dieser „Komödie für Musik“ zeigte Karl-Heinz Lehner als Baron Ochs im Finale des zweiten Aktes, daß er den ganz tiefen langen Schlußton treffen und gleichzeitig das Publikum durch gekonntes Spiel erheitern konnte. Das gelang auch Morgan Moody, als zur „Registerarie“ aus „Don Giovanni“ von dessen über 1.500 eroberten Damen einige auf die Bühne kamen.
Unter den vielen anderen Auftritten, die an grossen Verdi – Operngesang in Dortmund erinnerten, seien vor allem noch Bassist Wen Wei Zhang mit der grossen Arie König Philipps aus „Don Carlo“ und Sangmin Lee als Nabucco mit einer Szene aus der letzten Inszenierung Herzogs genannt
Mit einem Chor aus Mendelssohn-Bartholdy’s „Elias“ erinnerte der Opernchor an seine besonders schwierigen Auftritte bei der szenischen Aufführung von Oratorien, wo die Sänger zu den anspruchsvollen mehrstimmigen Chorpartien noch hin- und herlaufen mußten.
Heiterer wurde es zum Schluß, als zunächst der Sänger mit der wohl mit der kürzesten Zeit im Dortmunder Ensemble, Fritz Steinbacher, mit unangestrengten Spitzentönen und sehr textverständlich „Komm Zigan“ aus „Gräfin Mariza“ sang. Es folgten die beiden Dortmunder Lieblingssänger Eleonore Marguerre (vorher schon mit der „Juwelenarie“ Gounod’s „Faust“ brilliert) und Kammersänger Hannes Brock mit „Lippen schweigen“ aus der „Lustigen Witwe“ bevor das gesamte Ensemble sich zum „Brüderlein Schwesterlein“ aus der“Fledermaus“ auf der Bühne traf. Da der Sekt gut schmeckte, folgte als Zugabe noch das „Trinklied“ aus „La Traviata“
Natürlich gab es die üblichen Dankesreden, vorher von Oberbürgermeister Sierau, nachher von anderen Rednern. Gelungen war zum endgültigen Schluß der Gag, daß in einem dreirädrigen alten Kastenwagen der Marke „Ape“ des italienischen Autobauers Piaggio der neue Intendant Heribert Germeshausen auf die Bühne fuhr und Jens-Daniel Herzog in demselben Wagen von der Bühne weg in Richtung Nürnberg fuhr.
Das Publikum im ausverkauften Opernhaus applaudierte nach jedem Auftritt und besonders zum Schluß mit dankbarem Abschiedsapplaus für Jens-Daniel Herzog.
Sigi Brockmann 16. Juni