Premiere am 3. Dezember 2016
Unterhaltung pur
Die nach der „Fledermaus“ am häufigsten aufgeführte Operette von Johann Strauß ist „Der Zigeunerbaron“, die 1885 wenige Tage vor dessen 60.Geburtstag in Wien ihre Uraufführung erlebte. Das Theater für Niedersachsen Hildesheim hatte nun den Mut, die märchenhafte Story um den aus dem Exil heimgekehrten Sándor Barinkay, das bei der Zigeunerin Cipra als Tochter aufgewachsene Fürstenkind und den stets auf seinen Vorteil bedachten Schweinezüchter Zsupán mit allen daraus resultierenden Verwicklungen und Klischees gegenüber den Zigeunern einfach so zu erzählen, wie sie von Komponist und Librettist gedacht war, ohne der Versuchung einer modernen Anpassung nachzugeben.
Der Regisseur Frank-Bernd Gottschalk hatte die Einrichtung des Textes von Ignaz Schnitzer selbst neu gefasst. Seine Personenführung zeichnete sich durch feine Zeichnung einzelner Charaktere und gelungener Massenszenen aus; lediglich zu der Erwartung der Kriegsheimkehrer zu Beginn des Schlussaktes wirkte das Herumtanzen einzelner Chordamen einfallslos. Die Ausstattung lag in Händen von Michael Goden, der die einzelnen Spielorte mit einfachen Kulissen treffend zeichnete und insgesamt hübsche Kostüme entwarf; die Überzeichnung des Zsupán mit den orangen Haaren fiel dabei nicht weiter ins Gewicht. Eine witzige Idee war es, Graf Homonay in Johann-Strauß-Maske auftreten zu lassen.
Als der von Homonay nach 20 Jahren aus dem Exil zurückgeholte Sándor Barinkay kam Konstantinos Klironomos passend draufgängerisch daher; sein zunächst frivoles Werben sowohl um Zsupáns Tochter Arsena als auch um Czipras Ziehtochter Saffi hätte in der Entwicklung zur wahren Liebe noch intensiver gestaltet werden können. Stimmlich setzte er sich mit leichtem Tenor vor allem in den Höhen sicher durch, während seine Mittellage im 1.Akt blass blieb. Uwe Tobias Hieronimi als Conte Carnero lieferte mit rundem Bass eine köstliche Studie des blasierten königlichen Kommissärs, der fast in Ohnmacht fällt, als er in Mirabella, der Erzieherin Arsenas, seine Frau erkennt und von seinem Sohn Ottokar erfährt. Als schlitzohriger Kálmán Zsupán hatte Levente György die Lacher stets auf seiner Seite und überzeugte auch gesanglich. Mit munterem Spiel und feinem, lockerem Koloratursopran erfreute Martina Nawrath als Arsena, die heimlich Mirabellas Sohn Ottokar liebt. Neele Kramer als Mirabella, die ihrerseits dem Zsupán sehr zugetan ist, wusste ihren weichen Mezzosopran bestens in Szene zu setzen. Auch Aljoscha Lennert als verliebter Ottokar passte gut in das solide Ensemble.
Die (eigentlich!) alte Zigeunerin Czipra, eine schillernde Figur, wurde gelungen von Sandra Fechner verkörpert, die einen gleichmäßig durch alle Lagen geführten, satten Mezzo mit guter Höhe ihr Eigen nennt. Sie sorgte stets durch rechtzeitiges Eingreifen dafür, dass alles wie nach Vorsehung läuft, oder nach eigener Beobachtung und Erfahrung? Ihre Ziehtochter Saffi, wie sich letztendlich rausstellt ein Fürstenkind, wurde von Arantza Ezenarro lebendig dargestellt, die mit rundem ausdrucksvollen Sopran und sauberen Spitzentönen begeisterte. Last not least sei Peter Kubik als eleganter Graf Peter Homonay erwähnt, dessen warmen, auch in der Höhe freien Bariton man gern länger gehört hätte.
Michael Farbacher, Stephan Freiberger und Harald Strawe ergänzten.
Die musikalische Leitung, zu der diesmal auch die Einstudierung des sicher und ausgewogen klangvollen Chores mit Extrachor gehörte, lag bei Achim Falkenhausen in kompetenten Händen, der durch straffe Zeichengebung Bühne und Graben erfolgreich durch alle szenischen Turbulenzen führte. Dabei kamen auch die besinnlicheren Teile nicht zu kurz; er ließ mit dem frisch musizierenden Orchester den Sängern immer genug Raum zu eigener Gestaltung. Die vielen bekannten Melodien wie die flotten Walzer „Ja, das alles auf Ehr“ oder „So voll Fröhlichkeit“, das sentimentale „Wer uns getraut“ oder das humorvolle „Ja, das Schreiben und das Lesen…“ wurden vom Publikum dankbar aufgenommen.
Frenetischer Beifall und standing ovations waren der Lohn für alle Aktiven dieser gelungenen Premiere.
Marion Eckels 1.5.2016
Bilder: Falk von Traubenberg
Weitere Vorstellungen: 6.,10.,28.,31.12.2016 + 13.,25.1.2017 …