Premiere: 24.11.2021
besuchte Vorstellung: 27.11.2021
Klassisches Musical in Bestform
Am 24. November 2021 konnten bei der Premiere von „She Loves Me“ am Theater und Konzerthaus Solingen endlich auch die Zuschauer die erste gemeinsame Produktion des Kulturmanagements Solingen und der Folkwang Universität der Künste besuchen. Ursprünglich war diese Produktion bereits in der vergangenen Spielzeit geplant, konnte dort aber wegen des Lockdowns nicht aufgeführt werden. Trotz eines engen Terminplans der Bergischen Symphoniker gelang glücklicherweise eine Verschiebung in die laufende Spielzeit. Vorab eine Zusammenfassung des groben Handlungsablaufes dieses selten gespielten Musicals: Wir befinden uns in Budapest im Jahr 1934. Georg Nowack arbeitet mit einigen Kollegen und Kolleginnen in der Parfümerie von Herrn Maraczek. Da er allerdings in Beziehungsfragen bislang nicht so viel Glück hatte, verliebt er sich Hals über Kopf in eine anonyme Brieffreundin. Er ahnt nicht, dass es sich hierbei um Amalia Balash handelt, die vor einiger Zeit auch eine Stelle in der Parfümerie angetreten ist und zu der Georg nicht die beste kollegiale Beziehung pflegt.
Jerry Bock und Sheldon Harnick, die u. a. durch ihren Welterfolg „Anatevka“ Bekanntheit erlangten, schufen mit Joe Masteroff, Buchautor des Welterfolgs „Cabaret“, dieses romantisch-nostalgische Musical mit zündenden Melodien und wunderbar komischen Momenten. Hierbei gelang es Ihnen, auch die Rollen der weiteren Mitarbeiter der Parfümerie mit kleinen Geschichten zu versehen, so dass sich über gute zwei Stunden ein sehr unterhaltsamer Abend entwickelt. Die Uraufführung erlebte das Werk bereits 1964 am New Yorker Broadway, dennoch war „She Loves Me“ an den deutschen Theatern bislang kaum zu sehen. Besonders schade ist dies, da die schwungvolle Partitur nicht nur einen Grammy gewann, sondern in allen Bereichen absolut gelungen ist. Unter der musikalischen Leitung von Jürgen Grimm spielen rund 20 Musiker der Bergischen Symphoniker absolut präzise und sorgen für einen musikalischen Genuss, den man so schnell nicht vergessen wird.
Auch die Darsteller können in allen Belangen überzeugen. Mit Yasmina Hempel als Amalia Balash, Louis Dietrich als Georg Nowack, Maja Lilly Dickmann als Verkäuferin Ilona Ritter, Samuel Ismail Türksoy als Playboy Stephan Kodaly, Samuel Franco als Verkäufer Ladislav Sipo und Felix Alexander Rabas als stets fröhlicher Botenjungen Arpad Laszlo stehen die künftigen Folkwang Absolventen aus dem vierten Jahrgang in den Hauptrollen auf der Bühne. Erstaunlich hierbei, wie sie alle Rollen trotz ihres jungen Alters ausfüllen und diese präzise und mit viel Spielfreude auf die Bühne bringen. Ihnen zur Seite steht mit Tom Zahner als Zoltan Maraczeck ein erfahrener Darsteller, der einen menschlichen und sympathischen Parfümeriebesitzer abgibt. Das ergänzende Ensemble besteht aus sechs Studenten und Studentinnen des dritten Studienjahrgangs Musical der Folkwang Universität der Künste. Es ist immer wieder aufs Neue erfreulich zu sehen, mit welch hoher Qualität die Studenten hier allesamt auftreten. Für die Regie konnte mit Gil Mehmert einer der gefragtesten Regisseure im deutschsprachigen Raum gewonnen werden, dem es einmal mehr gelingt durch gute Personenführung das Stück und die Darsteller glänzen zu lassen. Er setzt geschickte Akzente, vertraut aber ansonsten auf die Vorlage des Musicals, so wie es für klassische Musicalunterhaltung oftmals am besten ist. Eine Drehbühne wechselt mehrfach von der Außen- zur Innenansicht der Parfümerie. Im zweiten Akt kommen noch zwei weitere Handlungsorte dazu, die bis dahin geschickt verborgen bleiben. Britta Tönne hat hier ein ebenso praktisches wie auch mit vielen Details ausgeschmücktes Bühnenbild geschaffen. Für die Kostüme vertraut sie auf elegante historische Kleidung, so dass sich auch hier ein rundes Gesamtbild ergibt. Wichtig sind bei einem guten Musical auch stets gelungene Choreografien, die in diesem Fall von der gebürtigen Wuppertalerin Yara Hassan entwickelt und mit den Darstellern einstudiert wurden.
Insgesamt gelingt dem Kulturmanagement Solingen in Zusammenarbeit mit der Folkwang Universität der Künste mit „She Loves Me“ eine eindrucksvolle Erstarbeit im Bereich des Musicals, die allerdings in der besuchten Dernière mehr Besucher verdient gehabt hätte. Auch wenn die Zeiten derzeit sicher nicht für einen großen Theaterbesuch sprechen und man mit der „2G plus“-Regel in Solingen versucht die Sicherheit der Zuschauer bestmöglich zu gewährleisten, hat die aktuelle Infektionslage wohl doch einige Zuschauer von einem Besuch abgehalten. Diesen ist allerdings eine der besten Musicalneuproduktionen der letzten Monate entgangen. Im Mai 2022 steht mit Cole Porter´s „Anything Goes“ die zweite gemeinsame Musical-Produktion auf dem Spielplan und man kann allen Lesern nur empfehlen, das Theater und Konzerthaus Solingen bei diesem ebenso löblichen wie ehrgeizigen Projekt zu unterstützen. Vielleicht eignet sich hier eine Karte auch als Weihnachtsgeschenk verbunden mit der Hoffnung auf eine bessere Zeit im Frühjahr 2022.
Markus Lamers, 28.11.2021
Fotos: © Abiramy Arulrasa