Vorstellung am 8.11.15
Premiere am 9.11.2013
Spannende Umsetzung zweier ungarischer Operneinakter
Am Vormittag um 11 Uhr gelangten zwei ungarische Klassiker im Doppelpack zur Aufführung. Zu Beginn beider Opern soll ein Ausschnitt des Turmbaus zu Babel des flämischen Renaissancemalers Pieter Bruegel d.Ä. auf dem Bühnenvorhang jene Welt aus Traum und Wirklichkeit vorankünden, in die uns beide Opern führen werden. Von dem in Miskcolc am 8. Oktober 1949 geborenen ungarischen Komponisten János Vajda stammt der Operneinakter „Mario und der Zauberer“ (1988)
nach der gleichnamigen Erzählung von Thomas Mann von 1929. Nach „Barabbás“ (1977), ist dies seine zweite von insgesamt bisher vier Opern. Der Librettist Gábor Bókkon verwendete lediglich den letzten Teil von Thomas Manns Erzählung, nämlich die Massenhypnose der Beteiligten, der alle, bis auf Mario, anheimfallen. Cipolla, der groß Hypnotiseur, missbraucht seine Fähigkeiten in faschistoider Weise. Er wird schließlich von Mario, den er in Hypnose versetzt, zu einem heißen Kuss hinreißt, erschossen.
Soweit die Handlung. Regisseur und Bühnenbildner Péter Galabos lässt Cipolla nun wie einen Propheten aus den sattsam bekannten Hollywoodfilmen mit langen Haaren auftreten. Enikő Kárpáti lieferte dazu mondäne, schillernde Kostüme zu teils grell-bunten Perücken. Eine Kamera, die vom Bühnenrand aus bewegt wird, sorgt für „Closeups“ der gerade agierenden Personen. Die auf Bänken sitzenden Zuschauer werden öfters auch filmisch auf der Hintergrundsleinwand gespiegelt, was den Eindruck eines riesigen flämischen Gemäldes mit Massenszene bewirkt. Mário erschießt aus der Hypnose erwachend Cipolla, der jedoch nach einiger Zeit wieder aufsteht. Der Vorhang fällt und davor steht Mário wie aus einem Traum aufwachend vollkommen ratlos. Hat er das eben Geschehene etwa nur geträumt?
Krisztián Cser war ein imposanter Cipolla, der keineswegs dämonisch agierte, sondern mehr in der Art des alttestamentarischen Moses mit würdevollem Bass. Die Sprechrolle des jungen Mário war Balázs Csémy anvertraut, der damit sein großes schauspielerisches Talent unter Beweis stellen konnte. Die kleinen Rollen waren mit Mária Farkasréti und András Hábetler als Ehepaar Angiolieri, László Beöthy-Kiss als Mann in Wollhemd und Zoltán Bátki Fazekas als Herr aus Rom stimmlich und darstellerisch rollengerecht besetzt. János Kovács setzte am Pult der Orchesters der Ungarischen Staatsoper die von folkloristischen Elementen durchwachsene Partitur genussvoll um. Die Choreographie der sich in Trance bewegenden Gäste ersann Csaba Solti. Den Chor leitete wiederum äußerst umsichtig Kálmán Strausz. Seit der Uraufführung des Werkes am 30. Januar 1988 war diese Inszenierung erst die erste Neuinszenierung dieses Werkes an der Ungarischen Staatsoper.
Nach der Pause dann Béla Bartóks Operneinakter „A kékszákallú herceg vára“ mit dem gleichen Produktionsteam. Die flämische Malerei ist nun einer mehr italienischen gewichen. Die einzelnen Kammern, die Judit aufschließt, indem sie jeweils eine Mappe aufschlägt, erscheinen als gewaltige Bildprojektionen mit jeweils einer Frauenfigur, die verängstigt und sehnsüchtig hinter einem Vorhang steht und in die weite Ferne blickt. Blaubart hat all diese sieben Mappen vorsorglich in einem Koffer mit auf seine Burg gebracht. Musikalischer wie szenischer Höhepunkt ist dann das Blumenzimmer, indem sich die beiden Liebenden zum ersten Mal sehnsüchtig für einen kurzen Moment umschließen.
Doch auch diese äußerst gefühlvolle Stimmung kippt plötzlich um und die Blumen in diesem paradiesischen Garten fangen an zu “bluten”. In der siebenten, der letzten Kammer, trifft Judit dann auf die drei früheren Geliebten von Blaubart. Sie wirken blutleer, als ob ihnen das Blut wie von einem Vampir ausgesaugt worden wäre. Sie herrschen nun über den Morgen, den Mittag und den Abend. Für Judit bleibt da folgerichtig nur mehr die Nacht und Blaubart geleitet sie auf das ihr zustehende Podest vor einem Vorhang. Er selbst setzt sich bequem auf einen Fauteuil und scheint einzuschlafen. Da tritt die stumme Figur einer Frau auf, die ihn fürsorglich mit einer Decke zudeckt. War auch dies bloß ein Traum?
Bassist Krisztián Cser trat wieder in der Titelrolle des liebesunfähigen Herzogs auf. Er sollte dann am Abend noch den Fasolt im Rheingold singen. Eine gewaltige Leistung! Ihm zur Seite Ildikó Komlósi als resolute Judit, die am Abend dann noch die Fricka zu singen hatte. Beide Künstler waren hervorragende Sängerdarsteller, die einander einen spannenden Geschlechterzweikampf lieferten. Es ist dies übrigens bereits die 14. Inszenierung seit der Uraufführung am 24. Mai 1918.
Am Ende feierte das Publikum des leider nur zu 60 % ausgelasteten Hauses die beiden Sänger und den Dirigenten mit starkem Applaus.
Fotos: Péter Rákossy