Budapest: „Schwanensee“, Peter I. Tschaikowski

Basierend auf Marius Petipa und Lew Ivanov, deren „Schwanensee“-Version zu Peter I. Tschaikowskis meisterhafter Komposition maßgeblich zum Weltruhm dieses klassischen Meisterwerks beigetragen hat, brachte Rudi van Dantzig gemeinsam mit Toer van Schayk als Co-Choreograf (der auch für das Bühnensetting und die Kostüme verantwortlich zeichnete) 1988 ihre „Schwanensee“-Fassung heraus, die vor allem im 2. Akt weitgehend der Vorlage entspricht, aber in den übrigen Akten eigene Akzente setzt. So gibt es im 1. Akt ein Überraschungsfest zu Siegfrieds 18. Geburtstag, das sein Freund Alexander unter Einbeziehung der Dorfleute organisiert und im 3. Akt ist nicht nur das Divertissement der internationalen Gäste ausführlicher und umfassender, es tritt Odile auch mit sechs maskierten Galanen auf. Siegfried überreicht ihr den Verlobungsring und erkennt zu spät den fatalen Irrtum. Im 4. Akt verzeiht Odette zwar ihrem Siegfried, er ertrinkt dennoch in den Fluten des Schwanensees und seine Leiche wird von des Prinzen Freund Alexander geborgen, der ihn gesucht hat.

 © Valter Berecz

Das prachtvolle üppige Bühnenbild mit den farbenfrohen Kostümen lässt die Szenerie im 17. Jahrhundert spielen und erinnert in seinem niederländischen-flämischen Stil an Gemälde von Rembrandt oder Vermeer. 2015 fand die Budapester Premiere dieses „Schwanensee“-Balletts statt, Mitte März dieses Jahres gab es eine Wiederaufnahme. In den wechselnden Besetzungen der Aufführungsserie verkörperte in dieser Matinee in der ungarischen Staatsoper Maria Beck die Doppelrolle der Odette/Odile. Seit 2022 als Principal Dancer im Ungarischen Nationalballett engagiert, gibt sie sich zerbrechlich und verinnerlicht als unglückliche verzauberte Schwanenprinzessin um dann als temperamentvolle wie geheimnisvolle Odile aufzutreten. Grandios, wie sie die beiden so gegensätzlichen Charaktere überzeugend mit Leben füllt und exquisite Technik demonstriert.

An ihrer Seite Gergö Ármin Balázsi, der als Prinz Siegfried ebenso reüssiert. Der großgewachsene elegante Etoile gibt sich verträumt, sinnend, vielleicht auch ein wenig naiv. Er will Odette aus der Verzauberung erlösen und erklärt ihr seine Liebe, glaubt aber dann rollenentsprechend auf dem Fest im Schloss in diesem trügerischen Bild von Sein und Schein Odette in der schönen Fremden zu erkennen. Ein starkes, präsentes Protagonisten Paar, das mit viel Beifall bedacht wird. Stets an der Seite des Prinzen ist Alberto Ortega de Pablos als treuer Freund Alexander.

 © Valter Berecz

Jurii Kekalo gibt den dämonischen Rothbart. Das exakt tanzende Schwanenmädchen-Ensemble wird von Nika Crnić und Ganna Muromtseva angeführt. Letztere fand nach ihrer Flucht aus Kiew, wo sie im dortigen Ballett tanzte, eine neue künstlerische Heimat in Budapest. Das Corps de ballet zeigte viel Esprit; das mit viel Power spielende Orchester der ungarischen Staatsoper wurde mit großer Umsicht von Imre Kollár geleitet. Viel Applaus im ausverkauften Haus!

PS: In der ungarischen Staatsoper wird nachhaltig und damit kostensparend agiert: das Programmheft kann man sich mit einem QR-Code herunterladen und die Besetzung lässt sich am Screen im Foyer ablesen. Statt Garderobezetteln aus Papier bekommt man eine metallene Plakette mit Nummer ausgehändigt, die nach Rückgabe der Überbekleidung wieder auf den Haken gehängt wird und so wieder verwendet werden kann.

Ira Werbowsky, 8. April 2023

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Schwanensee

Peter I. Tschaikowski

Ungarische Staatsoper

Budapest

2. April 2023

Choreografie: Rudi van Dantzig

Co-Choreograf & Bühne/Kostüme: Toer van Schayk

Dirigat: Imre Kollár

Orchester der Ungarischen Staatsoper