Palau de les Arts am 24.4.2016
Die Produktion der Mozartoper wurde szenisch vom Direktor des Hauses Davide Livermore (Regie und Bühnenbild) und musikalisch von einem der beiden musikalischen Leiter, dem für das 16. bis 18, Jahrhundert zuständigen Fabio Biondi, verantwortet. Für besagtes Repertoire ist Biondi ein echter Glücksfall, denn er leitete das Orquestra de la Comunitat Valenciana sozusagen mit dem richtigen Mozartdrive, der dem Werk des 25-Jährigen bei aller Dramatik auch Duftigkeit und die gewisse Schwerelosigkeit verlieh, welche das Salzburger Genie auszeichnet. Gleich nach dem Orchester muss der Cor de la Generalitat Valenciana genannt werden, der bei dieser Choroper (Mozarts musikalische Einfälle für den Chor gehören zu den schönsten Stellen des Werks) seinen Rang als eines der besten Gesangskollektive der Opernwelt bestätigte und mit seinem so machtvollen wie nuancierten Gesang die Hörer beim Schlussdéfilé zu Begeisterungsstürmen hinriss. Der Palau de les Arts darf auf ihn und seinen Leiter Francesc Perales stolz sein.
In der Titelrolle verblüffte Gregory Kunde einmal mehr mit auch koloraturgewandter Stimmpotenz. Vielleicht hielt er nicht immer ganz die Linie, aber seine Leistung beeindruckte allemal, auch weil er schauspielerisch sehr präsent war. Die für mich neue Lina Mendes (Ilia) verfügt über keinen sehr großen Sopran, den sie anfangs etwas zaghaft einsetzte. Im zweiten Teil klang ihre Stimme dann gefestigter. Persönlichkeitsstärker war Monica Bacelli als mit viriler Körpersprache auftretender Idamante; allerdings hat sich ihr Mezzo im Laufe einer intensiven Karriere schon recht abgenützt und wurde mit einer gewissen Mühe eingesetzt. Die große Elettra-Arie „Oreste, Ajace“ gilt als unsingbar (und tatsächlich habe ich die große Julia Varady in einer Scala-Inszenierung von 1984 damit untergehen gehört), aber es wird sich auch dafür noch die geeignete Interpretin finden (Mariella Devia machte es 2002 in Ancona auf ihre wenig dramatische Art möglich). Man denke nur an die Zeiten, als Lisa della Casa die Arabella war und die Fiakermilli als unsingbar galt. Dann kam Edita Gruberová und heute gibt es Daniela Fally. Dennoch empfand ich die Leistung von Carmen Romeu als ziemliche Zumutung, da sie auch an allen anderen Stellen nicht viel besser klang (sie hatte auch die oft gestrichene Arie „Idol mio“ zu singen). Die drei kleinen Rollen waren mit Mitgliedern des Centre Plácido Domingo (das Opernstudio des Hauses) besetzt: Emmanuel Faraldo (Arbace) ließ einen angenehm klingenden Tenor hören, der in der Koloratur noch sicherer werden muss; Michael Borth (Hohepriester) und Alejandro López (Die Stimme) klangen angemessen düster.
Die Regie gab einige Rätsel auf, als der zunächst projizierte griechische Kopf sich langsam in Kundes Gesicht verwandelte und dieser als Astronaut in den Kosmos flog, nicht ohne Idamante seine Uhr als Andenken zu hinterlassen. Zu sehen waren auch moderne und trojanische Kämpfer, sowohl griechische, als auch moderne zerstörte Gebäude: Ein Hinweis, dass sich die Menschheit immer und ewig im Krieg befinden wird? Idamante tritt auf einer Art Schiffsgangway auf, die dann zur Brücke mutiert; Elettra ist von Zeit zu Zeit sechsfach vorhanden (Kostüme: Mariana
Fracasso); vor der Abreise Elettra/Idamante ist im Hintergrund eine Raketenrampe zu sehen; das tobende Meer wird nicht nur projiziert, sondern es gibt auch echtes Wasser, in welchem nach den Drohungen des Monsters ein Ballett stattfindet; als es zu Ilias Opferung kommen soll, ändert sich das Bühnenbild in einen Saal mit griechisch-römischen Statuen.
Das häufig gestrichene Schlussballett wird in moderner Form, neuerlich im Wasser, absolviert (Choreographie: Leonardo Santos). Währenddessen sitzt Idomeneo sinnend in seinem Fauteuil und lässt offenbar seine Erlebnisse Revue passieren – ein berührender Moment, von Kunde auch mimisch sehr gut gemeistert. Am Schluss steht er auf und stirbt in den Armen eines rätselhaften, weiß gekleideten alten Mannes, der schon zuvor, während „Die Stimme“ zu hören war, auf einem Prunkbett gesessen war. Also eine Inszenierung, die auch Rätsel aufgab, aber im Ganzen mit großteils ästhetischen Bildern punkten konnte.
Das nun seit etwas mehr als einem Jahr unter Livermores Leitung stehende Haus war vollbesetzt, das Publikum begeistert und ausnahmslos alle Mitwirkenden feiernd, mit Spitzenlautstärke für Kunde und Biondi.
Eva Pleus 3.5.16
Profduktions-Bilder (c) Theater Valencia