Volksoper, 19.2.2019
It must schwing
Alfred Lion, ein deutscher Emigrant, der 1939 in New York das weltberühmte Jazz-Label „Blue Note Records“ gegründet und an die 1000 Langspielplatten, von denen fast alle in Fachkreisen weltberühmt wurden, produziert hat, gab seinen Interpreten immer die Vorgabe mit – „It must schwing“ (nach all den Jahren, die er in Amerika lebte, konnte er niemals „swing“ richtig aussprechen).
Nun, mit dem gestrigen Abend wäre er hochzufrieden gewesen. Schon von der ersten Nummern an, der Overtüre und „Christopher Street“, konnte der Dirigent James Holmes das Orchester der Wiener Volksoper dazu animieren, den richtigen Ton, den richtigen „Swing“ zu treffen. Leonard Bernstein komponierte das Musical 1953, es handelt aber in den 30er-Jahren in New York während der Roosevelt-Ära. Dementsprechend benutzte Bernstein Rhythmen, die dieser Zeit entsprangen, so wie zum Beispiel den „Conga“, der 1939 durch ein südamerikanisches Orchester in den USA populär gemacht wurde. Auch die Balladen, in die er Country-Elemente einfließen ließ und nicht zu Letzt die wohl bekannteste Nummer des Werks namens „Swing“ und der „Wrong Note Rag“ bewiesen, dass das vielleicht letzte Universalgenie der Musikszene immer perfekt Rhythmus und Melodien miteinander kombinieren konnte.
Die Koproduktion mit der Staatsoperette Dresden war im Dezember 2018 schon ein großer Premierenerfolg in Wien und auch jetzt, bei der 2.Serie, zeigte sich das Publikum begeistert. Wie bei den meisten Musicals (im Gegensatz zu Oper und Operette) waren Kostüme und Bühnenbild dem Libretto und der Zeit der Handlung entsprechend (Kostüme – Judith Peter, Bühnenbild Mathias Fischer-Dieskau). Regisseur Matthias Davids erzählt die Handlung stringent, obwohl der erste Teil – es dauerte fast 2 Stunden bis zur Pause – ziemlich textlastig war und relative wenig Musiknummern zu hören waren. Wie meist in der Volksoper wurde die Produktion nicht in der Originalsprache, sondern auf Deutsch aufgeführt. Obwohl ich anfangs nicht sicher war, ob das funktioniert, hat das doch gepasst. Roman Hinze hatte die deutsche Fassung erstellt und sie auch rhythmisch der Musik angepasst. Ein paar Anglizismen hat er beibehalten (z.B. „Girl“), was absolut in Ordnung war.
Das Staatsballett hat die Choreographie von Melissa King hervorragend umgesetzt und auch der Chor der Wiener Volksoper war mit sichtlichem Vergnügen bei der Sache!
Im Vergleich zur Premierenserie gab es kaum Änderungen, daher war das Ensemble schon eingespielt und harmonierte ausgesprochen gut. Zur Spielfreudigkeit kam auch eine sehr deutliche Aussprache (auch von Sängern, die nicht aus dem deutschen Sprachraum kommen – mit Schrecken denke ich noch an die Aussprache von 2 Damen bei der Zauberflöte der Staatsoper vom Dezember).
Die beiden Schwestern aus Ohio wurden von Sarah Schütz (Ruth Sherwood) und Olivia Delauré (Eileen) gut dargestellt. Beide können Tanzen, Spielen und bewältigten den Gesangspart auch zufriedenstellend. Dass beide schon in Dresden in diesen Rollen tätig waren erleichterte das Zusammenspiel ungemein. Der männliche „Held“, Robert Baker, wurde von Drew Sarich verkörpert, der auch die hoch gelegenen Töne immer traf und einen guten Eindruck hinterließ.
Das „Buffo-Paar“, wenn man das so sagen darf, sprühte vor Temperament und Spielfreude – Juliette Khalil (Helen) und Marcus Günzel (Wreck) sorgten für viel Erheiterung im Publikum.
Vom schauspielerischen Standpunkt ist Christian Dolezal hervorzuheben, der den Maler und Vermieter Appopolous toll darstellte. Als tollpatschiger „Frank Lippencott“ heimste Oliver Liebl viel Applaus ein. In den kleineren Rollen fügten sich Christian Graf, Regula Rosin, Cedric Lee Bailey und Christian Graf, stellvertretend für alle genannt, perfekt in die ausgewogene Ensembleleistung ein. Alexander Pinderak als Lonigan trug auch seinen Teil zum großen Erfolg des Abends bei.
Den meisten Applaus gab es für Sarah Schütz, Drew Sarich und Oliver Liebl, aber auch die restlichen Akteure wurden gefeiert – zum Schluss gab es sogar „Parteitagsklatschen“.
Am 26.Februar gibt es noch eine Vorstellung – wer drei unbeschwerte Stunden mit hinreißender Musik und dem Feeling der 1930er Jahre genießen möchte, der sollte sich noch Karten besorgen. Es ist schön, dass sich die Volksoper immer wieder klassischen amerikanischen Musicals annimmt und so ihre Tradition wahrt.
Kurt Vlach 23.2.2019
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