Das Galakonzert zum 150. Geburtstag von Franz Lehár „Gold & Silber“ zeigt, dass die wunderbare kleine Waldbühne in Heldritt seine Besucher auch in schweren Zeiten begeistern kann.
Besuchte Vorstellung am 15. August 2020 am Nachmittag
Eigentlich wollte ich an diesem sonnigen und warmen Samstagnachmittag mit 50 Freunden in der Waldbühne sitzen und zum Lehár-Geburtstag die Operette „Das Land des Lächelns“ genießen. Die fürchterliche Corona-Pandemie hat dies verhindert, so wie weitere sieben Opern- und Operettenfahrten, die ich in diesem Jahr absagen oder umbuchen musste, ohne zu wissen, wie es nächstes Jahr aussehen wird. Eine fürchterliche „stille“ Zeit, die gerade für die kulturellen Veranstaltungen zum Waterloo geworden ist. Viele kleine Bühnen, die keine großen staatlichen Subventionen bekommen, viele Künstler, die nicht an großen Häusern engagiert sind, kämpfen zur Zeit um ihr Überleben und wir können alle nur hoffen, dass diese Plage so bald wie möglich vorbei sein möge. Der noch junge Verein „Coburger Operetten-Freunde e.V.“, geleitet von dem umtriebigen und rührigen Harald Wurmsdobler, will es nicht einfach hinnehmen, dass in diesem Jahr die Operette in Heldritt schweigt. Mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept, vielen ehrenamtlichen Helfern mit der Liebe zur Musik und zur Waldbühne und dem Angebot von vier Konzerten vom 14. bis 16. August trotzt man dem Virus. Die ansässigen Vereine unter Leitung von Friedhelm Wölfert arbeiten ohne Pause um dies zu bewerkstelligen. Eine Auslastung bei den Zuschauern von gerade mal 25% muss man hinnehmen, wohl wissend, dass man damit keine schwarzen Zahlen schreiben kann. Aber man will präsent sein, man will zeigen, dass man auch unter diesen widrigen Umständen Freude verbreiten kann. Und dies ist überreich gelungen. Für den Rezensenten sind die äußerst strengen Auflagen, die die Sommeroperette nicht zu verantworten hat, nicht ganz nachvollziehbar, obwohl natürlich der Schutz der Besucher (und der Künstler) an erster Stelle stehen muss. Aber, warum man nicht wenigstens verteilt im Zuschauerraum die Hälfte der Plätze anbieten kann, erschließt sich mir nicht. Hier sitzen Musikfreunde, den Kopf nach vorne, der Musik lauschend, sie reden nicht, unterhalten sich nicht und die Ansteckungsgefahr ist im Freien ja von Natur aus wesentlich geringer. Bei Demonstrationen, Corona Partys und ähnlichem sind teilweise tausende von Menschen ohne Abstand und ohne Mund- und Nasenschutz eng beieinander, mit riesigem Ansteckungspotential – und hier schaut man von den Behörden teilweise zu, weil man sich scheinbar nicht traut, entsprechend hart durchzugreifen. Drei Abende mit kompletter Kontrolle und je 150€ Strafe bei den Unmengen an Verstößen, würde diesen Spuk schnell im Keim ersticken. Aber, was solls, sind wir froh, vier wunderschöne Konzerte erleben zu können. Auch lukullische Schmankerl werden von den Ehrenamtlichen angeboten, ganz lieben Dank dafür, auch wenn ich auf viele Köstlichkeiten in diesem Jahr verständlicherweise verzichten muss.
Claus J. Frankl
Die Pressesprecherin des Vereins, Frau Friederike Möbus begrüßt das Publikum, erläutert einige der Hygienemaßnahmen und man merkt ihr mit jeder Faser an, wie sie sich freut, wenn auch in abgespeckter Form, die Bühne für die wunderbaren Klänge der Operette freizugeben.
Das Orchester, welches anders wie sonst, direkt auf der Bühne platziert ist, ist ebenso wie die Zuschauerränge abgespeckt. In einer geraden Linie mit entsprechendem Abstand finden sich hier die Musiker ein. Unter der bewährten, einfühlsamen und mitreißenden Führung des in Nürnberg geborenen Reinhard Schmidt, diesmal nur am Piano, der in seinem kleinen Finger mehr Musikalität besitzt als viele andere und der auch für die musikalische Gesamtleitung verantwortlich ist, und mehr Feuer besitzt wie so mancher jüngerer Kollege, spielen Gerda von Wechmar, Violine, Ulrike Maria Gossett, Violoncello, Ulrich Giebelhausen, Kontrabass und Sabine Reissenweber-Dotterweich, Flöte. Und sie spielen hervorragend und sind auf jeden Fall eine musikalische Bereicherung und vor allen Dingen wesentlich schlagkräftiger und melodiöser als wenn nur eine Klavierbegleitung stattgefunden hätte. Und man merkt ihnen auch an, wie froh sie sind, wieder vor einem Publikum live spielen zu dürfen und das Publikum merkt das auch und spendet reichlichen Applaus.
Und dann haben die vier Operettenkonzerte einen weiteren hochkarätigen Pluspunkt. Als Moderator, Sänger und Entertainer hat man den in Bayreuth geborenen Claus J. Frankl gewinnen können. Mit fundiertem Hintergrundwissen, erheiternden Bonmots, charmanten und kurzweiligen Überleitungen hält er alles zusammen, auch gesanglich setzt er etliche Pluspunkte, ist Mittelpunkt und immer auf der Höhe des Geschehens. Er findet für alles die richtigen Worte, mit gründlichem Wissen, aber auch mit entsprechender witziger und kurzweiliger Überleitung bringt er als Allroundkünstler die Zuhörer auf seine Seite. Ich habe über ihn bei anderer Gelegenheit einmal gesagt: „Hier merkt man, dass mit ihm ein Vollblutkomödiant, ein Vollblutsänger, ein Vollblutregisseur, einfach eine „Wunderwaffe“ der Operette auf der Bühne steht.“ Zusammen mit Harald Wurmsdobler und Reinhard Schmidt hat er auch das Konzept der vier Galakonzerte entwickelt.
Mit Franz Lehár beginnt das Konzert, die „Fünferkapelle“ spielt als Ouvertüre aus dem Walzer „Gold und Silber“. Zwar etwas dünn, aber sehr beeindruckend, schmissig, gefühlvoll, mitreißend, auf alle Fälle wesentlich besser, als wenn es nur eine Klavierbegleitung gegeben hätte. Mit dem Auftrittslied des Barinkay aus der Operette „Der Zigeunerbaron“ von Johann Strauss, betritt der in Coburg geborene und sein 25jähriges Bühnenjubiläum feiernde Tenor Christian-Andreas Engelhardt die Bühne und man merkt ihm an, dass er hier ein Heimspiel hat. Mit durchschlagskräftigem baritonal gefärbtem und höhensicherem Tenor weiß er sein Publikum, vor allem das weibliche, sofort auf seine Seite zu ziehen. Ohne jede Mühe bewältigt er die nicht allzu leichte Arie und erntet prasselnden Beifall für eine exzellente Leistung.
Christian Engelhardt
Dann wieder Franz Lehár mit der Operette „Wo die Lerche singt“. Aus der leider etwas in Vergessenheit geratenen, jedoch wunderschönen Operette, singt die aus Wiesbaden stammende Sopranistin Nicola Becht das Entréelied der Margit „Durch die weiten Felder“. Und wie sie es singt! Mit aufblühendem klarem, warmem Sopran, der keinerlei Höhenschwierigkeiten kennt und der problemlos alle Klippen der Arie meistert, erntet sie starken Beifall, dass sie daneben auch optisch beeindruckt, sei mit erwähnt. Man kann sich in den Wohllaut ihrer Stimme richtig hineinfallen lassen. Aus der gleichen Operette dann der aus Wilhelmshaven stammende Bariton Michael Mrosek. Mit vollmundigem, prächtigem, stimmschönem, kräftigem und vollmundigem Bariton weiß er die Zuschauer zu begeistern. Aus „Wiener Frauen“, ebenfalls eine etwas vernachlässigte Operette Lehárs, zelebriert Claus J. Frankl dann den Nechledil-Marsch, einst ein Paradecouplet von Alexander Girardi. Und er reißt mit seiner Gestaltung das anwesende Publikum mit, welches bei jeder Musiknummer voll dabei ist. Man merkt richtig, wie ausgehungert das Publikum durch die bisher fehlende musikalische Livedarstellung ist. Die aus Wien stammende Mezzosopranistin Rita Lucia Schneider gestaltet dann das Couplet des Ganymed aus der Operette von Franz von Suppé „Die schöne Galathée“. Lustig, quirlig, selbstironisch und mitreißend wirbelt sie über die Bühne und verzaubert mit ihrer wohlklingenden vollen Stimme, mit einem warmen Timbre und einem schauspielerischen Talent, welches dieser Rolle mehr als zugutekommt.
Aus der „Graf von Luxemburg“ von Franz Lehár dann das wunderschöne Duett „Lieber Freund man greift nicht nach den Sternen“. Hier fließen die Stimmen von Nicola Becht und Christian A. Engelhardt ineinander und verschmelzen miteinander. Gut aufeinander eingestimmt und abgestimmt, lassen sie ihre beiden Stimmen in höchster Präzision ertönen, die Stimmen passen auch hervorragend zusammen und bescheren einen prasselnden Beifall, den sich die beiden redlich verdient haben. Das Duett „Geh ‘n wir ins Chambre séparée“ aus „Der Opernball“ von Richard Heuberger wird von Rita Lucia Schneider und der in Augsburg geborenen Sopranistin Elke Kottmair gestaltet. Rita Lucia Schneider mit ihrem weichen, warmen und vollmundigen Mezzo trifft auf Elke Kottmair, die einen wunderschönen, klaren silbrigen Sopran ihr Eigen nennt, der weich und stimmschön zu bezaubern weiß. Auch Elke Kottmair kann ein Jubiläum feiern, nämlich 20 Jahre Waldbühne Heldritt.
Harald Wurmsdobler
Dann betritt der in Münzkirchen in Oberösterreich zur Welt gekommene Tenor Harald Wurmsdobler die Bretter, die die Welt bedeuten. Er, die treibende Kraft hinter der Wiederbelebung der Operette auf der Waldbühne in Heldritt und dem Glücksfall, dass wenigstens diese vier Konzerte auf der Waldbühne zum Erklingen gebracht werden, er stellt sich mit dem Auftrittslied des Danilo aus Lehárs „Die lustige Witwe“ vor. „Da geh ich ins Maxim“, betont er und besingt die Damen, die ihn umschwärmen. Dass er natürlich auch eine aktuelle Strophe zum Coronageschehen beiträgt und am Schluss mit Maske vor dem Publikum steht, ist logisch. Publikumswirksam setzt er seinen geschmeidigen, leichten, warmen, stimmschönen, zurückhaltenden, schlanken, dennoch durchschlagskräftigen Tenor ein. Er besticht nicht unbedingt mit Kraft, aber mit sehr viel Gefühl und erlebt auch einen Beifallssturm des Publikums. Eine ausgesprochene Spielbegabung ist ihm ebenfalls noch in die Wiege gelegt worden, sodass er rundum überzeugt und beim Publikum toll ankommt. Dann kommt ein weiterer Höhepunkt des ersten Teils des Konzerts. Zart, einfühlsam und gefühlvoll mit schönem vollmundigem Sopran zelebriert Elke Kottmair das Viljalied aus der gleichnamigen Operette. Verzückt summt das Publikum, denn Mitsingen ist streng untersagt, im Refrain mit und macht dieses gefühlvolle Lied zu einem Highlight, die Künstlerin wird mit Applaus überhäuft. Eine wunderschöne Leistung. Zum Schluss das gesamte Ensemble mit dem Marschlied „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ auch aus der gleichen Operette. Zuerst die Männer und dann die Frauen, die betonen, dass auch das Studium der Männer nicht leicht sei. Schmissig, fetzig dargeboten, die Füße müssen einfach unweigerlich mitwippen. Danach geht man wohlgelaunt mit Maske bedeckt in die kurze Pause, immer auf Abstand bedacht. Und unter den Masken summt der ein oder andere Besucher die Melodien nach und alle sind fröhlich und auch glücklich, endlich wieder Liveoperette – und wie!
Elke Kottmair und Nicola Becht
Elke Kottmair und Harald Wurmsdobler beginnen nach der Pause mit dem Duett „Mädel klein, Mädel fein“ aus dem Lehárschen „Der Graf von Luxemburg“. Gut aufeinander eingestimmt und abgestimmt, beide Stimmen passen exzellent zusammen und beide schwelgen in diesem kleinen lustigen Ausflug, stimmlich ohne Fehl und Tadel, darstellerisch sowieso. Ein toller Einstieg in den zweiten Teil. Rita Lucia Schneider gestaltet dann aus der gleichnamigen Operette das Couplet der Gräfin Kokozow „Alles mit Ruhe genießen“ und sie macht dies ausgezeichnet, beeindruckend und herrlich blasiert. An dieser Gestaltung des Couplets hat man einfach nur seine helle Freude. Danach mit „Einkäufe machen“ aus Millöckers „Der Bettelstudent“ Elke Kottmair, Nicola Becht, Rita Lucia Schneider und Michael Mrosek. Sie lassen den Spaziergang mit viel Hunger und viel Entsagung richtiggehend bildlich auf der Bühne erscheinen. Aufeinander toll abgestimmt, stimmlich alles gegeben und beim Publikum alles gewonnen. Von Franz Lehár dann das Lied des Baron Reiger aus der Operette „Die blaue Mazur“, ebenfalls ein Werk, dass seit vielen Jahren zu Unrecht kaum mehr gespielt wird und so langsam, wie z.B. in Baden bei Wien, wieder auf die Bühne zurückgeholt wird. „Verrauscht sind längst der Jugend Zeiten“ sinniert vollmundig mit kräftigem durchschlagendem gefühlvollem und warmem Bariton Michael Mrosek. Da möchte man gerne mehr daraus hören. Dann aus der Lehároperette „Eva“, auch ein Werk, welches zu Unrecht etwas verschwunden ist, das Lied der Eva „Wär ‘es auch nichts als ein Augenblick“ welches gefühlvoll, einfühlsam und beeindruckend von Elke Kottmair dargeboten wird.
Tobias Engelhardt und Claus J. Frankl
Und dann kommt der auch in Coburg aufgewachsene Tobias Engelhardt mit einem Marschlied aus der Metropol-Revue von Paul Lincke „Donnerwetter – tadellos“. Er reißt das Publikum mit einer zackigen und rassigen Gestaltung mit, voller Feuer, voller Elan. Eine komödiantische Meisterleistung, die auch stimmlich voll einschlägt. Er überzeugt das voll mitgehende Publikum so, dass es zu wahren Applausorgien kommt. Als dann zum Ende sich auch noch Claus J. Frankl dazugesellt und beide den Marsch gemeinsam beenden, ist beim Publikum kein Halten mehr, andauernder tosender Applaus. Und danach ein weiteres Highlight, von Willy Engel-Berger und Fritz Löhner-Beda bringt Claus J. Frankl den Kabarett-Schlager für Klavier und Gesang „In der Bar zum Krokodil“. Und noch einmal kann er seine Ausnahmestellung in diesem Bereich demonstrieren und das Publikum mehr als beeindrucken. Danach, damit man sich etwas beruhigen kann, wird von Giacomo Puccini aus seiner Oper „Die Schwalbe“ die Arie der Magda von Nicola Becht dargeboten. Mit strahlenden Spitzentönen, wie in die Luft gemeißelt, kann sie mit einer mehr als ausgezeichneten Leistung das Publikum begeistern, ein Publikum welches einen Höhepunkt nach dem anderen erlebt. Dann das Richard Tauber-Lied aus Lehárs „Friederike“ „Oh Mädchen, mein Mädchen wie lieb ich dich“, strahlend, stimmschön, mit durchschlagkräftigem und wohlgefälligem Tenor von Christian A. Engelhardt dargeboten. Eine tolle Leistung. Harald Wurmsdobler bringt dann mit dem gesamten Ensemble aus der „Lustigen Witwe“ das Finale des 2. Aktes, „Es waren zwei Königskinder“ und alle geben nochmals ihr Bestes. Begeisterter Applaus, der Zugaben förmlich herausfordert. Christian A. Engelhardt zeigt mit „Dein ist mein ganzes Herz“ eindrucksvoll, was wir alle hoffentlich im nächsten Jahr in „Das Land des Lächelns“ zu erwarten haben, Kraftvoll, mit stählernen Spitzentönen und geschmeidiger Mittellage begeistert er erneut.
Nicola Becht-Elke Kottmair-Rita Lucia Schneider-Tobias Engelhardt-Claus J. Frankl.
Als „Rausschmeißer“ alle Künstler im seligen Walzerrausch bei „Und der Himmel hängt voller Geigen“. Für dieses Jahr erst einmal ein ganz dickes Dankeschön für diese wunderbaren vier Konzerte. Die, die dabei waren, werden diese Konzerte so schnell nicht vergessen.
Manfred Drescher 18.08.20
Bilder Sven Kaufmann