Trier: „Die Brücken am Fluss“

Mit ganz, ganz viel Gefühl

Die deutsche Erstaufführung eines mit zwei Tony-Awards ausgezeichneten Musicals erlebt man auch nicht alle Tage. Umso erstaunlicher, dass am vergangenen Wochenende im Theater Trier das Musical „Die Brücken am Fluss“ erstmals in deutscher Sprache zu hören war und dies selbst in einschlägigen Musicalforen kaum Beachtung fand.

Dies sollte sich hoffentlich ganz schnell ändern, denn den Auszeichnungen für „Best Original Score“ und vor allem „Best Orchestrations“ im Jahr 2014 an Jason Robert Brown kann man nach dem Besuch der Premiere im Theater Trier nur zustimmen. Auch die Fachzeitschrift „musicals“ lobte das Castalbum der Broadway-Produktion mit dem Hinweis auf die „lyrischen, weit gespannten Melodiebögen, beschwingten Walzern, elaborierten Grooves, Anklängen italienischer Folklore und einer Prise Country“. Viel besser kann man die wunderbare Musik die aus dem Orchestergraben klang kaum beschreiben, ergänzen kann man höchstens noch, dass auch opernhafte Elemente geschickt in die Komposition eingeflossen sind. Daher auch gleich an dieser Stelle ein ausdrückliches „Bravo“ an die Streicher und das Schlagwerk des Philharmonischen Orchester der Stadt Trier unter der musikalischen Leitung von Dean Wilmington.

Doch kurz zur Handlung, vielen Lesern ist sicherlich die bekannte Verfilmung mit Meryl Steep und Clint Eastwood ein Begriff, daher hier nur ein grober Anriss des Geschehens in Iowa im Jahre 1965. Hier lebt die gebürtige Italienerin Francesca Johnson mit ihrem Mann „Bud“ und den beiden Kindern auf einer Farm und geht gewissenhaft ihren Aufgaben und Pflichten als Hausfrau, Mutter und Ehefrau nach. Während ihr Mann mit den Kindern zu einem mehrtägigen Wettbewerb um die beste Kuh des Landes aufbricht, lernt die daheim gebliebene Frau den Photographen Robert Kincaid kennen, der gerade die berühmten überdachten Brücken der Gegend für eine Reportage ablichten will. Dieser erweckt in ihr viele lang unterdrückte Sehnsüchte, so dass sie sich auf eine Affäre mit ihm einlässt. Doch auch Robert entwickelt Gefühle die er bislang stets an sich abprallen ließ, so dass Francesca vor einer schwierigen Entscheidung steht.

In der Rolle der Francesca brilliert Carin Filipcic als von Gefühlen zerrissene Frau, die gleich zu Beginn des Stückes einen großartigen Auftritt hat. Ihr Mann „Bud“ gespielt von Norman Stehr hat eine vergleichsweise kleine Rolle, konzentriert sich Marsha Norman (Buch) bei der Umsetzung des Romans „The Bridges of Madison County“ von Robert James Waller zur eigenständigen Bühnenversion vor allem auf die Personen Francesca und Robert. Letzterer wird in Trier von Hans Neblung verkörpert, der wie bereits in unzähligen anderen Musicalproduktionen auch hier wieder eine schauspielerisch und gesanglich tadellose Leistung darbietet. Denkt man zur Pause noch, dass es ja ein „ganz netter Theaterbesuch mit schöner Musik“ ist, entwickelt vor allem der zweite Akt auch durch das Duo Filipcic / Neblung ganz starke emotionale Momente. Hierzu trägt auch die geschickte Regie von Ulrich Wiggers bei, der hier in den richtigen Momenten entsprechende Akzente setzen kann. Bleibenden Eindruck hinterlassen auch Conny Hain als Marge und Christopher Ryan als Charlie, das Ehepaar aus der Nachbarschaft, welches einige sehr humorvolle Aspekte beisteuert, sei es das Beobachten der Nachbarn mit dem Fernglas oder die Dialoge zwischen beiden zu bestimmten Situationen ihrer Ehe, die egal wie verschieden sie auch sein mögen, beide trotzdem glücklich miteinander sein lassen. Chadi Yakoub und Mariyama Ebel verkörpern glaubhaft die Kinder Michael und Carolyn. Abgerundet wird das Darstellerensemble durch Sidonie Smith als Roberts erste Frau, die zudem in einer weiteren Rolle als Fidelsolistin zu erleben ist.

Sehr schön umgesetzt auch das gezeichnete Bühnenbild von Matthias Winkler, welches immer wieder neue Räume schafft und durch geschickte optische Grundtechniken stellenweise fast dreidimensional wirkt. Die Kostüme von Noélie Verdier zeigen die Farmer in den mittleren Staaten des Jahres 1965 ganz so, wie der Zuschauer sie auch aus vielen Filmen gewohnt ist und runden somit das stimmige Gesamtbild dieser Inszenierung ab. Ganz wichtig noch der Hinweis auf die gelungenen deutschen Texte, hier hat Wolfgang Adenberg, sicher einer der erfolgreichsten Übersetzter in diesem Bereich, erneut sein Können unter Beweis gestellt.

Zum Abschluss noch ein Appell an alle Leser aus dem Großraum Trier: Ja, ihr habt vielleicht ein wirklich von außen nicht schön anzuschauendes Theater, dem man viele dringend notwendigen Sanierungsarbeiten ansieht wie kaum einem anderen Haus in Deutschland. Und sicherlich steckt gerade das Theater Trier derzeit in einer turbulenten Phase. Aber im Hinblick auf die teilweise recht schwachen Vorverkaufszahlen, die man für die kommenden Aufführungen ablesen kann, möchte man euch nur zurufen: „GEHT INS THEATER, BEVOR ES ZU SPÄT IST!“ Mit „Die Brücken am Fluss“ ist es dem Haus gelungen, „großes Kino“ auf der Theaterbühne zu bringen, im wahrsten Sinne des Wortes. Das Premierenpublikum im leider nicht ganz ausverkauften Haus zeigte sich entsprechend begeistert.

Markus Lamers, 20.03.2017
Fotos: © Oliver Look