Bern: „Guillaume Tell“ Gioachino Rossini

Dem Dramaturgen Rainer Karlitschek, zusammen mit der Regisseurin Amélie Niermeyer und dem Dirigenten Sebastian Schwab ist es gelungen, das vierstündige Werk Rossinis auf ungefähr 165 Minuten zu kürzen. Dabei ist anzumerken, dass diese Kürzungen keinen Einfluss auf den musikalischen Gehalt und den dramaturgischen Tiefgang haben.

Das Bühnenbild wurde von Christian Schmidt entworfen und auf der Drehbühne aufgebaut. Diese Drehbühne war dauernd im Einsatz, hier wäre vielleicht etwas weniger mehr gewesen um die Handlung weniger hektisch zu machen, dem fast vollbesetzten Haus ein bisschen Ruhe zu gönnen.

© Tanja Dorendorf

Meiner Auffassung nach ist Rossinis Werk vor allem eine Chor-Oper. Der Chor und Extrachor der Bühnen Bern war auch fast immer auf der Bühne. Dies um die Handlung zu unterstützen und voranzubringen, die dramaturgischen Vorgänge zu verstärken und zu erklären. Die Arbeit des Chor-Leiters Zsolt Czetner, mein Sitznachbar, darf als absolut perfekt und vorbildlich bezeichnet werden. Musikalität, Diktion und Intonation liessen keine Wünsche offen. Der dramaturgische Einsatz der Chöre ist hervorragend in Szene gesetzt.

Etwas ungewohnt war die Hochzeitsszene mit den drei Bräuten auf dem Tisch. Die eurythmisch geprägten Bewegungen machen im Kontext der Oper wenig Sinn. Diese Szenen konnten von mir auch in der sonst ausgezeichneten Dramaturgie nicht nachvollzogen werden.

Das Berner Symphonieorchester unter seinem Dirigenten Sebastian Schwab interpretierte Rossinis Komposition (Uraufführung 1829) mit viel Gefühl ohne jedoch die Präzision und Musikalität preis zugeben. Die Stabführung Schwabs nahm Rücksicht auf die Künstler und Künstlerinnen auf der Bühne.

Modestas Sedlevicius interpretierte seinen Guillaume Tell verletzlich und berührend, perfekt in Intonation und Diktion. Anton Rositskiy als Anton von Melcthal hatte Mühe in den Höhen wo seine Interpretation von mir als sehr laut und ohne Emotion empfunden wurde. Dies im Gegensatz zu den tieferen Lagen, wo Intonation, Emotion und Diktion als sehr gut bezeichnet werden dürfen. Mathilde, gesungen und gespielt von der südafrikanischen Sopranistin Masabane Cecilia Rangwanasha, überzeugte durch Mimik und Gestik, durch Intonation und Diktion in allen Lagen und ebenso durch ihre sehr starke Bühnenpräsenz. Jemmy, Tells Sohn, wurde gesungen und hervorragend gespielt durch Giada Borrelli. Eine starke Hedwige gab Claude Eichenberger, einen überzeugenden Gesler interpretierte Matheus Franca. In weiteren Rollen zu sehen und hören: Christian Valle, Andreas Daum, Michal Psoszynski, Filipe Manu und Jonathan McGovern.

© Tanja Dorendorf

Das zahlreich erschienene Premierenpublikum spendete dem gesamten Team, vor und hinter der Bühne den verdienten langanhaltenden Applaus für eine gelungene Premiere, eine hervorragende Inszenierung der Bühnen Bern.

Peter Heuberger, 19.10.2022


Gioachino Rossini – Guillaume Tell / Premiere am 15. Oktober 2022 Stadtteater Bühnen Bern

Inszenierung: Amélie Niermeyer

Musikalische Leitung: Sebastian Schwab

Berner Symphonieorchester

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