Meiningen: „La Traviata“

Besuchte Vorstellung Wiederaufnahme 12.02.2017

Premiere 26.06.2015

Eine überragende Violetta mit Elif Aytekin

Sie hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, diese „La Traviata“ in Meiningen. Im Juni 2015 war die Premiere und bei der heutigen Wiederaufnahme, hat die Aufführung nichts von ihrer Spannung und Dramatik verloren. Die Geschichte der Lebedame Violetta Valéry, die sich – schon von ihrer tödlichen Krankheit gezeichnet – unsterblich in den jungen Alfred Germont verliebt und von ihm stürmisch wiedergeliebt wird, ist sicher allgemein bekannt. Sie vergisst in seinen Armen alles Leid und hofft auf eine glückliche Zukunft, auch wenn sie im Innersten bereits weiß, dass dies ihr nicht bestimmt ist. Alfredos Vater ist bedacht auf den Ruf seiner Familie, der Schwester Alfredos, die vor der Hochzeit steht, die durch eine Kurtisane gefährdet scheint. Er appelliert an Violetta ihn um das Wohl seines Hauses zu verlassen. Er denkt ja, dass sie ein langes glückliches Leben an der Seite anderer Männer noch vor sich hat. Violetta ist in sich zerrissen, sie will ihren Alfredo nicht aufgeben, ihn die einzige Liebe ihres Lebens, aber sie will auch dem Glück seiner Familie und damit auch ihm nicht im Wege stehen. So macht sie ihm vor, ihn nicht mehr zu lieben. In grenzenloser Verzweiflung beleidigt und erniedrigt Alfredo sie auf einem Ball und wirft ihr Geld und seine Verachtung ins Gesicht. Im Prinzip verflucht er die Liebe seines Lebens. Violetta, getrennt von Alfredo verfällt immer mehr, ihre Krankheit zehrt an ihr und droht sie zu vernichten. Jetzt erst erkennt Giorgio Germont, was er von ihr für ein grenzenloses Opfer verlangt hat, er, der seinen Sohn nach dem Vorfall schwere Vorwürfe machte, erkennt seinen großen Fehler. Er weiß aber auch, dass er ihn nicht mehr gut machen kann, dass es zu spät ist. Violetta, dem Tode näher als dem Leben empfängt noch einmal den geliebten Alfredo. Gemeinsam träumen sie vom großen gemeinsamen Glück, dann stirbt sie in seinen Armen. Eine Geschichte, die zu Herzen geht und wieder einmal etliche Taschentücher meiner Frau gekostet hat.

Steffen Köllner – Elif Aytekin – Ernst Garstenauer – Carolin Krogius – Mikko Järviluoto

Regie führt Christian Poewe, und hier bin ich ein bisschen hin- und hergerissen. Zu Beginn der Ouvertüre lässt er einen greisen Mann auf die Bühne schlurfen, sich auf ein Sofa setzen, der Musik mit verklärten Blicken lauschen, die gebrechlichen Arme gen Himmel recken und dann wieder verschwinden. Warum das Ganze, mir hat es sich nicht erschlossen, war für mich einfach nur deplatziert und albern. Das geht noch zwei dreimal so, aber vergessen wir es schnell, zu mehr taugt es eigentlich auch nicht. Den tieferen Sinn des Regisseurs, der sich ja irgendetwas dabei gedacht haben muss, hoffe ich wenigstens, erschließt sich mir nicht. Schade, denn das sonstige Regiekonzept von Poewe kann durchaus überzeugen. Er arbeitet akkurat alle Feinheiten des Stückes heraus, vermeidet unsinnige Mätzchen (fast – siehe oben) und stellt ein stimmiges Konzept auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Für die Bühne zeichnet Christian Rinke verantwortlich und das in der Mitte hochaufragende Stahlgerippe kann zu den verschiedensten Bereichen verwendet und angewandt werden, die Drehbühne ist ständig im Einsatz und vermittelt ein stets wechselndes Bild, einfach und eindrucksvoll. Eine einfache Darstellung, aber eine die zweckdienlich ist und voll überzeugt. Überzeugend auch die Kostüme von Tanja Hofmann, prächtige schön anzuschauende Roben in gedämpften Tönen, bis auf die Frau in Rot, die vielgeliebte Violetta. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Mario Hartmuth, er lässt die Zügel für das Orchester recht locker und ist in seinen Tempi auch sehr sängerunterstützend, teilweise spielen seine Musiker recht schmissig und leidenschaftlich auf. Die Hofkapelle lässt sich problemlos leiten und bringt eine eindrucksvolle Leistung auf die Bühne, die Violingruppe muss noch ein bisschen an sich arbeiten, ihr Klang ist mir etwas zu unschön, gerade im Vorspiel, wo man sich einen zarten elfengleichen Klang wünscht. Aber das sind Einwände, die zugegebenermaßen schon etwas beckmesserisch sind. Der von Martin Wettges einstudierte Chor macht seine Sache gut, alles ist aufeinander eingespielt, alles läuft im Takt.

Carolin Krogius – Ernst Garstenauer – Mikko Järviluoto

Und nun kommen wir zu dem, was eine gute „Traviata“ am besten ausmacht und woran sie oft scheitert, die Sänger. Und hier hat man für die Titelrolle in Meiningen ein Juwel. Elif Aytekin gestaltet die verzweifelt Liebende, die am Schluss doch noch in den Armen des Geliebten stirbt äußerst ergreifend. Mit zarten Piani, dennoch durchschlagskräftig mit strahlenden Spitzentönen, aufblühend und ergreifend gestaltet sie die Violetta, man zittert und fühlt mit ihr mit und kann am Schluss der Aufführung sicherlich die eine oder andere Träne nicht unterdrücken, wobei es bei meiner Frau mehr wie eine Träne war. Was kann man schöneres über ein solch musikalisches Ereignis sagen. Man kann nur hoffen, dass die junge türkische Sopranistin, die viel Szenenapplaus bekommt und einen am Ende fast nicht endend wollenden Schlussapplaus, noch lange in Meiningen bleibt.

Ihr Partner, der aus China stammende Tenor Xu Chang als Alfredo, der schon seit vielen Jahren eine Stütze Meiningens ist, hat einen durchschlagskräftigen, metallischen hellen Tenor mit einer bombigen imposanten Höhe. Dass sein Spiel insgesamt etwas statisch wirkt, kann man dabei gerne vergessen. Eine, vor allem im Einklang mit Elif Aytekin eindrucksvolle Leistung. Beide werden zu Recht mit vielen Ovationen gefeiert.

Mehr als ebenbürtig ist der rumänische Bariton Marian Pop als restlos überzeugender Vater Germont. Er läßt sein herrliches Material voll strömen und überzeugt nicht nur in seinen großen Arien sondern auch in den Duetten. Seine eindrucksvolle mächtige und flexible Stimme lässt aufhorchen. Ich habe ihn heute zum ersten Mal erlebt und hoffe, dass es nicht zum letzten Mal gewesen ist. Eindrucks- und ausdrucksvoll, so kann man ihn mit einem kurzen Schlagwort beschreiben.

Keinen Ausfall gab es bei den sonstigen Besetzungen, sowohl Carolina Krogius, die finnische Mezzosopranistin mit flexibler, lyrisch heller Stimme als Flora, Girn-Young Je als Annina, als auch Stan Meus als Gaston, Steffen Köllner als Baron Douphol, Ernst Garstenauer als Dr. Grenvil, Mikko Järviluoto als Marquis d´Obigny, Gerhard Goebel als Giuseppe, Dimitar Sterev als Kommissionär sowie Sang-Seon Won als Diener gaben ihr Bestes und vervollständigten das Ensemble stimmig.

Schlussapplaus

Langanhaltender, fast nicht endend wollender Applaus, gab darüber Aufschluss, dass es den Besuchern ausgezeichnet gefallen hat, man sah beim Ausgang kein griesgrämiges Gesicht. Und was kann man wohl schöneres über einen wunderbar gelungenen Opernnachmittag sagen. Meiningen ist immer eine Reise wert und ich freue mich schon auf die nächsten Aufführungen.

Manfred Drescher, 22.02.2017

Fotos 1 und 2: Ed, Meiningen, Foto 3: Eigenaufnahme