Aufführung am 26.4.19 (Premiere am 23.4.)
Eher matt
Diese erlesene Oper von Richard Strauss hat an der Scala einen dornenvollen Weg hinter sich: Erstaufführung erst 1950 (in italienischer Sprache, aber immerhin mit Giorgio Strehler als Regisseur), Neuproduktion 1963 an der Piccola Scala (wieder auf Italienisch und mit dem Rossinispezialisten Luigi Alva als Bacchus!), 1984 drei Vorstellungen mit einem Gastspiel aus München, schließlich 2000 die erste Eigenproduktion in deutscher Sprache unter Sinopoli. Diese Produktion in der Regie von Luca Ronconi wurde 2006 unter Jeffrey Tate wieder aufgenommen.
Nun also im Rahmen von an der Scala wenig oder überhaupt nie gespielten Werken eine Neuproduktion, deren Regie von Frederic Wake-Walker verantwortet wurde, an dem die Intendanz festzuhalten scheint, obwohl er 2016 „Nozze di Figaro“ trotz einer guten Besetzung (Keenlyside, Damrau, Crebassa…) spektakulär in den Sand gesetzt hatte. Auch diesmal kann leider von keiner guten Leistung gesprochen werden. War das Bühnenbild von Jamie Vartan für den ersten Teil akzeptabel, indem es einen hellen Wohnwagen als Künstlergarderobe und einen roten LKW mit aufgeklapptem Tresen zur leiblichen Versorgung zeigte, so war im zweiten Teil eine Art monumentales, aus verschiedenen geometrischen Formen bestehendes Grab zu sehen. In dessen Mitte befand sich eine Plattform mit einer muschelförmigen Klappe, die sich über Ariadne schloss, nachdem sie in die Tiefe gestiegen war. Auf dieser Plattform sang Zerbinetta dann einsam und verlassen ihr „Großmächtige Prinzessin“. Im Hintergrund eine Treppe, von der Bacchus herabstieg.
Auf dem Abendzettel war Vartan nur für das Bühnenbild angegeben, aber dem Programmheft war zu entnehmen, dass er auch für die Kostüme zeichnete. Der Musiklehrer trägt normale Alltagskleidung, der Haushofmeister Livree comme il faut, der Komponist einen Rock im Mozartstil, aber mit Hemd über der Hose, wie es heutzutage Trend ist. Zerbinetta sah im ersten Teil aus wie Liza Minnelli in „Cabaret“, im zweiten trug sie Lockenperücke, Mieder und schwarze Strapse. Ihre Begleiter glitzerten zunächst in Gold, um dann Phantasiekleidung zu tragen, die sie eher wie erfolgreiche Strolche aussehen ließ. Von vertiefender Personenregie konnte keine Rede sein, die Beziehungen der Figuren untereinander (vor allem die zwischen dem Komponisten und Zerbinetta) kamen nicht recht heraus. Dabei gäbe der Prolog doch so viele Möglichkeiten, mit dem Theatervölkchen ein wenig ironisch umzugehen. Visuell beeindruckend war nur der Schluss, bei welchem die Videoarbeiten von Sylwester Luczak und Ula Milanowska in den verschiedensten Blautönen den gemeinhin hier zu sehenden Sternenhimmel ersetzten.
Die Titelrolle wurde von Krassimira Stoyanova schönstimmig gesungen. Mehr konnte sie, auf der erwähnten Plattform stehend, nicht tun. Schade, denn von dieser Künstlerin könnte man sich eine nahezu perfekte Ariadne erwarten. Der Bacchus von Michael König klang genauso gequält wie ein Gutteil der Interpreten dieser undankbaren Rolle. Sabine Devieilhe schenkte ihrer Zerbinetta blitzsaubere Koloraturen und schön schwebende sovracuti. Allerdings ist ihre Stimme für einen großen Saal wie den der Scala etwas klein. Daniela Sindram bemühte sich sehr um den Komponisten, aber es kam nicht viel Überzeugendes dabei heraus. Einige Tiefen musste sie drücken, die Phrasierung war wenig ekstatisch. Überzeugend hingegen in Auftreten und Stimme Markus Werba, der vom Harlekin zum Musiklehrer aufgestiegen ist. Erfreulich auch der Österreicher Thomas Tatzl mit schönem Bariton als Anführer der Komödiantentruppe, die von Tobias Kehrer (Truffaldin) sonor und von Kresimir Spicer (Scaramuccio) und Pavel Kolgatin tenoral unterstützt wurde. Homogen klang das Trio Najade (Christina Gansch, eine weitere Österreicherin), Dryade (Anna-Doris Capitelli aus der Accademia, schon mehrmals erfolgreich eingesetzt) und Echo (Regula Mühlemann).
Die Kleinstrollen wurden von Studierenden der Accademia übernommen, und als Haushofmeister fungierte Intendant Alexander Pereira, der mehr gutmütig als arrogant herüberkam und zuviel mit den Armen fuchtelte. Am Pult des reduzierten Orchesters des Hauses stand mit Franz Welser-Möst ein ausgewiesener Strausskenner, der duftige Valeurs mit großen Aufschwüngen zu verbinden wusste.
Der Applaus hielt sich in Grenzen, es gab ein paar „Brava“ für Stoyanova und Devieilhe. Allerdings war das Haus in der Woche nach Ostern, in der es mit Ostermontag und dem Nationalfeiertag am 25.4. viele Urlaubsmöglichkeiten gab, nicht sehr voll.
Eva Pleus 29.4.19
Bilder: Brescia Amisano / Teatro alla Scala