Frankfurt, Konzert: „hr-Sinfonieorchester“, Mozart und Strauss

Ein kontrastreiches Programm erfreute das Publikum in der Alten Oper Frankfurt mit dem hr-Sinfonieorchester. Auszüge aus bekannten Opern von Mozart und Strauss standen sich gegenüber. Zu Beginn erklangen die Ouvertüre und die Rosenarie der Susanna aus Mozarts „Le Nozze di Figaro“. Bereits die Ouvertüre ließ aufhorchen! Mit jugendlichem Elan stürmte Gast-Dirigent Tarmo Peltokoski mit dem aufgeweckten, aufmerksamen hr-Sinfonieorchester in das kurze Potpourri. Die Akzente wurden sehr markant artikuliert. Die Musik bebte und erzählte fortwährend, dass es die reine Freude war. Als Solistin war die Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann zu erleben. In wenigen Jahren entwickelte sich ihre Karriere rasant und führte sie an viele wichtige Opern- und Konzerthäuser der internationalen Musikwelt. Ein zentraler Komponist ihres Repertoires ist Wolfgang Amadeus Mozart. Und tatsächlich ist die vokale Stimmführung bei diesem Komponisten ideal für den feinen, geradezu instrumental anmutenden Klang von Mühlemanns Stimme.

(c) hr/Henning Ross/Sony Classical

Ganz bei sich war sie in der verinnerlicht vorgetragenen Arie der Susanna. Mit Charme und Liebreiz gab sie ihrer Rolle bezaubernde Gestalt. Vorbildliches Legato und eine besonders gute Textverständlichkeit in all ihren Beiträgen veredelten ihren Gesang. Danach ein Wagnis. Die viel gefeierte Blonde der Mühlemann wagte sich nun an den Prüfstein der Konstanze, die sog. Martern-Arie. Diese außergewöhnlich lange und mit Schwierigkeiten gespickte Arie war ein Erlebnis. Mühlemann tauchte merklich tief in den Rollencharakter ein und begeisterte vor allem mit blendender, präziser Koloratur und ausgezeichnetem Textverständnis. Die Tiefe wirkte bei ihr, wie bei vielen ihrer Vorgängerinnen, etwas mühsam erkämpft und unschön im Klang. Und auch manch gehaltener Spitzenton entbehrte etwas der Stütze. Aber Regula Mühlemann ist eine kluge Sängerin, blieb immer in ihren Möglichkeiten und widerstand der Versuchung, zu forcieren.

Begleitet wurde die Sängerin von dem jungen Shootingstar der Dirigenten, Tarmo Peltokoski. Der 23-jährige Pianist und Dirigent stammt aus Finnland. Wie nahezu alle seine Landsleute wurde er von dem Dirigenten-Guru Jorma Panula unterrichtet. Panulas Unterricht ist hochindividuell und so kommt es, dass seine vielen Schüler sich deutlich unterscheiden. Auch sein Kollege Klaus Mäkelä studierte bei Panula. Und Mäkelä debütierte ebenso mit erst 23 Jahren beim hr-Sinfonieorchester und gilt seither ein wenig als Messias der neuen Dirigenten-Generation, was reichlich übertrieben ist und der Entwicklung Mäkeläs im Wege steht. Petokolskis Karriere entwickelt sich gegenwärtig im ähnlichen Zeitraffer.

Gerade erst wurde er Chefdirigent des Lettischen Nationalen Sinfonieorchesters und nun kam ein weiterer Coup hinzu. Bereits im nächsten Jahr agiert er zusätzlich als designierter Musikdirektor des Orchestre National de Capitole de Toulouse. In Frankfurt leitete er bereits derart erfolgreich das hr-Sinfonieorchester im hr-Sendesaal, sodass er jetzt diesmal in der Alten Oper zu erleben war. Es wurde überaus deutlich, dass mit Tarmo Peltokoski ein junger Dirigent der Musikwelt geschenkt wird, wie es in dieser künstlerischen Potenz höchst selten vorkommt. Peltokoski zeigt bereits jetzt eine deutlich eigene Gestaltungsfähigkeit und künstlerische Reife, die sehr beeindruckt. Dieser außergewöhnlich sensible Musiker prägt nicht nur die Orchesterbeiträge durch seine Lesart, sondern auch in der Begleitung der Solistin verhielt er sich als vorbildlich mit atmendem Begleiter.

Von Mozart ging es zu Richard Strauss und seiner Komödie für Musik „Der Rosenkavalier“. In gut zwanzig Minuten werden im Schnelldurchgang alle wichtigen Passagen der gleichnamigen Oper abgebildet. Es ist eine besondere Erfahrung, nur die instrumentale Version zu hören. Zeigt diese doch, wie intensiv, wie farbenfroh, Richard Strauss sein Meisterwerk gearbeitet hat. Und spätestens hier wurde überdeutlich, wie gut Peltokoski Stimmungsverläufe erkennt und viel Persönlichkeit ausgestaltet. Mit jugendlichem Überschwang stürzte er sich in die Liebesmusik, um dann in der Rosenüberreichung festlichen Glanz zu verbreiten. Herrlich treffsicher gestaltete er Übergänge, bei perfekter Agogik und fein abgestimmter Dynamik. Das Schluss-Terzett wurde von ihm als intensiver Hymnus zu einem überwältigenden Höhepunkt geführt, ehe der derbe Lerchenauer Walzer die Suite prachtvoll beendete. Mit großer Passion am freien Spiel ging das hr-Sinfonieorchester in den vollen, ungebremsten Klang und spielte mit einer Lustbarkeit, wie sie bei diesem Klangkörper nicht eben an der Tagesordnung ist. Wunderbar.

Spannend war dann der zweite Teil des Abends. Er begann mit Auszügen aus Mozarts „Die Zauberflöte“. Rasant und doch hinreichend feierlich, mit vielen Kontrasten musizierte Peltokoski die Ouvertüre. Die Zeit stand still, als Regula Mühlemann die Klage der Pamina anstimmte. So rein und innig war ihr Seelenton, dass der Atem stockte. Große Klasse! Welch ein Kontrast dann dazu die heitere Konzertarie „Schon lacht der holde Frühling“, die Mozart im Jahr 1789 schrieb. Voller Lebensfreude und mit jauchzender Koloratur bezauberte Mühlemann wiederholt das Publikum, dass sich eine weitere Mozart Preziose als Zugabe erklatschte.

Beschlossen wurde der Abend mit der groß angelegten Fantasie aus „Die Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss. Von Kennern wird dieses Werk gerne auch als „Zauberflöte für Erwachsene“ bezeichnet, da es durchaus Parallelen in den Handlungsverläufen gibt. Im Gegensatz zu Mozart fährt Strauss hier aber ein Riesenorchester auf, welches er, ähnlich zur „Alpensinfonie“, durchaus auch zu kammermusikalischer Wirkung führte. In kaum einem anderen Werk gibt es derart viele Farben und dynamischen Effekte zu bewundern. Eine große Gelegenheit für ein Orchester, alles zu zeigen, ohne Rücksicht auf die Sänger nehmen zu müssen. In dieser von Strauss herausgegebenen Orchester-Fassung wird klar, wem seine Sympathien galten: Barak und der Färberin. Deren Musik kennzeichnet nahezu komplett die Fantasie, die lediglich mit dem einleitenden Keikobad-Motiv und dem beschließenden Jubel-Quartett andere Motive der gewaltigen Oper verarbeitet.

Auch in diesem Werk zeigte Tarmo Peltokoski seine außerordentliche Begabung. Völlig über den Dingen stehend dirigierte er auswendig, mit einer Hingabe und dem Wissen eines sehr erfahrenen Dirigenten. Alles stimmte, die Balance, die Proportionen, die Farben und Akzente. Es war faszinierend. Deutlich wurde, dass diesem Dirigenten eine ganz große Zukunft gehört, wie sie nur wenigen musikalischen Leitern bestimmt ist. In seiner Generation zählt er bereits jetzt zu den Besten. Völlig losgelöst und mit großer Klangpracht nutzte das hr-Sinfonieorchester die Gunst des Augenblicks und verströmte einen exquisiten Orchesterklang in allen Spielgruppen. Es war schon frappierend, wie sehr das Orchester an diesem Abend über sich hinauswuchs, weil es von Peltokoski fortwährend motiviert und klar geführt wurde. Ein ganz besonderes Konzert.

Dirk Schauß, 30. April 2023


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Alte Oper Frankfurt

28. April 2023

Regula Mühlemann, Sopran

Wolfgang Amadeus Mozart:

Ouvertüre und Arien aus „Die Zauberflöte“

Schon lacht der holde Frühling KV 580

Richard Strauss:

Fantasie aus „Die Frau ohne Schatten“

Tarmo Peltokoski, Leitung

hr-Sinfonieorchester

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