Eröffnungskonzert des 10. Internationalen Franz Liszt Klavierwettbewerbs Weimar-Bayreuth. Markgräfliches Opernhaus, 27.10.2021
Es ist ein bisschen wie im Siegfried: Es beginnt mit einem Grollen und endet in den lichtesten Dur-Akkorden. Der Weg führt von der Heldenklage über Tasso – in dem sich, typisch Liszt, dem Lamento schon der Trionfo anschließt – und geht über den Orpheus (in dem, ist es ein Zufall?, das gleichzeitig komponierte Wanderer-Motiv aus dem Siegfried anklingt) zu den Idealen. Am Klavier sitzt ein Paar, das wir seit 2016 in guter Erinnerung haben, seitdem sie bei den Abschlusstagen der Liszt-Tage 2016 in der Schlosskirche saßen, um den Kreuzwegzyklus Via crucis und die Dante-Symphonie zu bringen. „Die beiden Pianisten“, schrieb ich damals, „spielen die beiden Werke in Liszts eigenen, unglaublich gut gemachten Klavierfassungen. Zwei Klaviere können kein Orchester ersetzen, aber die Klanggestaltung, mit der das Pianistenpaar sich Liszts Klavierfassung widmet, ist vorbildlich: von den härtesten Hammerschlägen der Hölle zu den luftigsten Nebelgebilden.“ Nun, im Opernhaus mit seiner trockenen Akustik sitzend, frage ich mich, ob die Klavierfassungen des Meisters und seiner Schüler, die zunächst einmal die Kärrnerarbeit auf sich nahmen, die Partituren für vier Hände umzuschreiben, bevor der Komponist sie redigierte, signierte und – zurecht – zu seinen eigenen erklärte, nicht als autonome Werke gewürdigt werden müssen. Hat man, kennt man die originalen Orchesterfassungen im Ohr, auch den Eindruck, dass es zeitweise, wie beim Trommelschlagen des Trauerzugs der Héroide funèbre, tatsächlich gelang, so etwas wie eine Imitation zu erstellen, kommt bald schon das Gefühl auf, dass durch die Umsetzung der Klang nicht allein größer, sondern vor allem reicher als der einer zweihändigen Transkription werden sollte. Es ist also schlichtweg bezaubernd, wie das ungarische Duo die vierhändigen Fassungen – nicht die Fassungen für zwei Klaviere, die ihren eigenen Wert haben – am Steingraeber ertönen lassen. Sie spielen also die Searle-Nummern S 590, 592, 596a und 596c, nicht die artverwandten Nummern S 636ff., aber wieder ist der sound denkbar differenziert: von den klagenden Lisztschen Solomelodien und den mächtig gewaltigen Aufwallungen des Tasso über die zartesten Wolkengebilde des Orpheus, der mit luftigen Harfengirlanden beginnt zu den Idealen, mit dem der Trionfo des Renaissancedichters in doppelten forte schillerisch erweitert wird.
Liszt für vier Hände ist vielleicht nicht mehr als Liszt für zwei Hände – aber wird er so gespielt, ein durch und durch authentischer Liszt, der dem Jahrhundert des Klaviers das gab, was es verlangte: Klangpracht und Intimität, Pathos und, Ránki und Klukon sei Dank, eine unverwechselbare Lyrik.
Frank Piontek, 28.10.2021
Foto: ©Andrea Felvégi