Vorstellung am 9. 8. 2019
Mit einer besonderen Opernrarität warteten heuer die „Innsbrucker Festwochen der Alten Musik“ auf: „Merope“ von Riccardo Broschi. Die Uraufführung dieses Werks fand im Jahr 1732 in Turin statt. Merope war in der griechischen Mythologie die Frau des messenischen Königs Kresphontes, der von ihrem Schwager Polyphontes getötet wurde. Nachdem er auch ihre älteren Söhne ermordet hatte, forderte er Meropes Hand. Sie erbat sich eine zehnjährige Bedenkzeit, damit ihr jüngster Sohn alt genug ist, um die Ermordung des Königs und seiner Söhne zu rächen.
Mehr als zwanzig Komponisten vertonten im 18. Jahrhundert diesen Stoff, einige auch noch im 19. Jahrhundert. Riccardo Broschi (um 1698 – 1756) schrieb die Rolle des Epitides, dem Sohn Meropes, für seinen berühmten Bruder Carlo, den Kastraten Farinelli.
Die Handlung der Oper Merope, deren Libretto Apostolo Zeno schrieb, in Kurzfassung: Nachdem die zehn Jahre Wartezeit fast verstrichen sind, rückt die geplante Hochzeit näher. Meropes Sohn Epitide kehrt heimlich zurück und bietet Polifonte an – ohne seine wahre Identität zu lüften – den monströsen Eber, der das Land Messenien in Atem hält, zu besiegen. Als Lohn bietet ihm Polifonte die gefangene Prinzessin Argia, mit der sich Epitide verlobt hatte, zur Frau an. – Polifonte quält Merope, indem er behauptet, ihr Sohn wäre getötet worden, obwohl Epitide den Eber besiegte. Da Merope ihren Sohn nicht erkennt, glaubt sie das Gerücht, dass er von Cleon ermordet wurde und will diesen töten lassen. Polifonte nützt die Situation, dass Cleon in Wahrheit Epitide ist, zu weiteren Machenschaften aus und befiehlt, Anassandro, den einzigen Zeugen des Königsmordes, durch Bogenschützen töten zu lassen. Trasimede, der Vorsitzende des Rats von Messenien, rettet jedoch Anassandro. Nach weiteren Verleumdungen und Verstrickungen stürzt Merope in eine tiefe Depression und will Selbstmord begehen, glaubt sie doch, die Ermordung ihres eigenen Sohnes befohlen zu haben. – Polifonte plant inzwischen Meropes Hinrichtung, doch im letzten Moment werden seine Machenschaften aufgedeckt und Polifonte wird gefangen genommen. Epitide kann endlich den rechtmäßigen Thron besteigen.
Der belgischen Regisseurin Sigrid T’Hooft gelang eine packende Inszenierung der fünfeinhalb Stunden (mit 2 Pausen) dauernden Vorstellung. Sie war auch für die kreative Choreographie der Ballettszenen verantwortlich. Ob es allerdings eine gute Idee war, die lange Barockoper noch mit Ballettmusik anderer Komponisten (Jean-Marie Leclair und Carlo Alessio Rasetti) anzureichern, ist diskussionswürdig. Die Orchestrierung dieser Ballettmusik nahm Alessandro de Marchi, der Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik und Dirigent der Vorstellung, selbst vor.
Für die optisch exquisite Ausstattung dieser Produktion zeichnete Stephan Dietrich verantwortlich, der pompöse Bühnenbilder schuf und farbenprächtige Barockkostüme entwarf.
In der Titelrolle als Merope brillierte die italienische Mezzosopranistin Anna Bonitatibus. Mit ihrer wandlungsvollen Stimme und ihrer Darstellungskraft gab sie der Königin von Messenien das richtige Profil. Die zweite Hauptrolle der Oper, Polifonte, musste aufgrund der Erkrankung von Jeffrey Francis ersetzt werden. Die Partie des Tyrannen von Messenien übernahm der italienische Tenor Carlo Allemano, der aus dem Orchestergraben sang, während die szenische Gestaltung auf der Bühne der Schauspieler Daniele Berardi übernahm. Bemerkenswert war, dass Carlo Allemano seine Partie nicht nur mit kräftiger, volltönender Stimme sang, sondern dabei auch gestenreich agierte.
Der australische Countertenor David Hansen als Epitide, Sohn Meropes, zeichnete sich gleichfalls stimmlich wie darstellerisch aus und wurde nach jeder Arie vom Publikum bejubelt. Wie schon erwähnt, hatte diese Rolle seinerzeit der Komponist für seinen Bruder, dem berühmten Kastraten Farinelli, geschrieben.
Insgesamt waren drei Countertenöre im Einsatz. Der aus Florenz stammende Filippo Mineccia spielte die Rolle des Anassandro, Polifontes Vertrauten, und der auch in Wien bekannte Sänger Hagen Matzeit gab Licisco, den Botschafter von Ätolien. Beide konnten ebenfalls stimmlich überzeugen.
Mit starker Ausdruckskraft – sowohl stimmlich wie darstellerisch – agierte die aus Alaska stammende Mezzosopranistin Vivica Genaux in der Rolle des Trasimede, des Vorsitzenden des Messenien-Rats. Gleichfalls eindrucksvoll sang und spielte die aus Rom gebürtige Sopranistin Arianna Vendittelli, die im Jahr 2015 den Publikumspreis beim Cesti-Wettbewerb in Innsbruck gewann, ihre Rolle als Prinzessin Argia.
Das Innsbrucker Festwochenorchester Corpo Barocco gab unter der temperamentvollen und dennoch einfühlsamen Leitung von Alessandro De Marchi die überaus melodisch klingende Partitur des Komponisten in allen Feinheiten wieder. Zur Freude des Publikums, das am Ende der 5 ½ Stunden dauernden Vorstellung, alle Mitwirkenden mit berauschendem Applaus belohnte, unter den sich auch viele „Bravi“-Rufe mengten. Eine Ausgrabung, die möglicherweise zu einer Wiederbelebung führen könnte!
Udo Pacolt 11.8.2019
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Fotos (c) Rupert Larl