Bei Bühnen-Versionen des Aschenputtel-Märchens denkt man am ehesten an Prokofjews „Cinderella“-Ballett oder Rossinis „Cenerentola“-Oper. Wuppertals neue Opernintendantin Rebekah Rota bringt aber als dritte Neuproduktion der Saison ein „Cinderella“-Musical aus der Feder von Rodgers und Hammerstein heraus. Erstaunlich dabei ist, dass es immer noch kein richtiges Ensemble zu geben scheint.
Das Musical aus dem Jahr 1957 wurde eigentlich für das Fernsehen geschrieben und erzählt die Aschenputtel-Geschichte in traditionellen Mustern. 2013 wurde das Stück von Douglas Carter Beane überarbeitet. Als neue Figur gibt es den Sozialrevoluzzer Jean-Michel, der deutlich macht, dass absolute Monarchien gar nicht so gut sind, und beim Prinzen sogar Gehör findet und als Premierminister vorgeschlagen wird. Zusätzlich wird eine der Stiefschwestern differenzierter gezeigt und verliebt sich dazu noch in Jean-Michel.
Aschenputtel Ella bleibt allerdings in den üblichen Mustern, sodass es bei ihr hauptsächlich darum geht, das sie ihren Prinzen bekommt. Gelungener wäre die Modernisierung, wenn sie selbst den Prinzen auf die Missstände in seinem Reich hinweisen würde.
Regisseur Christian Thausing lässt das Stück im Kinderzimmer Ellas beginnen, wo sie sich in die Märchenwelt träumt. Die Stiefmutter und -schwestern sind real, aber das ganze Märchenpersonal steigt als Fantasiefiguren aus den Schränken des Zimmers. Das Bühnenbild von Hanna Raujkic mit großen verschiebbaren Wänden, die immer neue Räume entstehen lassen, ist Teil des Projektes „Modular Stage Zero“, bei dem wiederverwendbare Elemente zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes führen sollen.
Trotzdem bietet diese Produktion einen opulenten Theaterabend in toller Optik, von dem sich Klein und Groß verzaubern lassen können. So verwandelt sich Ellas Pullover im Stroboskoplicht in ein prachtvolles Ballkleid (Kostüme: Devi Saha). Das Fest des Prinzen findet unter einem Sternenghimmel und Kronleuchtern statt und Ella reist mit einem Ballon an. – Ebenso opulent wie die Inszenierung ist auch die Musik, denn Dirigent Johannes Witt spielt das Sinfonieorchester Wuppertal im nostalgischen Hollywood-Sound auf.
Einziges Ensemblemitglied, das an diesem Abend auf der Bühne steht ist Edith Grossman, die eine quäkend-schlechtgelaunte Stiefschwester Charlotte singt. Als Gast ist noch einmal Mark-Bowman Hester, der von 2016 bis 2023 zum Ensemble gehörte, als intriganter Königsberater Sebastian auf der Bühne zu erleben. Mezzosopranistin Gundula Hintz kennt man eher aus dem Wagner-Fach, nun spielt sie die gute Fee Marie.
Gleich mehrere Absolventen der Essener Folkwang-Hochschule stehen hier auf der Bühne: Das „Aschenputtel“ Ella singt Susann Ketley mit leichter Stimme und gibt sich dabei gar nicht als große Primadonna, sondern als verträumtes Mädchen. Den Prinzen Christopher gibt Jonas Hein mit schön gefärbtem Tenor. Die gutmütige Gothic-Stiefschwester wird von Gioa Heid sympathisch gespielt.
Zwei gebürtige Wuppertaler, die allerdings in München ausgebildet wurden, stehen auch auf der Bühne: Stefanie Smailes spielt eine schnippisch-strenge Stiefmutter Madame. Ihr Ehemann Dustin Smailes ist der sympathische Revoluzzer Jean-Michel.
Mit dieser Musical-Rarität biet die Wuppertaler Oper einen sehenswerten und unterhaltsamen Theaterabend, bei dem alle Zuschauer auf ihre Kosten kommen.
Rudolf Hermes 13. Mai 2023
Cinderella
Richard Rodgers & Oscar Hammerstein
Wuppertaler Bühnen
Premiere: 9. Dezember 2023
Regie: Christian Thausing
Musikalische Leitung: Johannes Witt
Sinfonieorchester Wuppertal