CD: „Eine florentinische Tragödie“, Alexander von Zemlinsky

Bereits Mitte April dieses Jahres ist bei dem Label BR Klassik eine Aufnahme von Zemlinskys bravouröser Oper Eine florentinische Tragödie erschienen (wir berichteten). Jetzt ist das Label Pentatone nachgezogen und hat ebenfalls eine neue Einspielung dieses bemerkenswerten Werkes veröffentlicht. Dieser Liveaufnahme liegen Aufführungen der Dutch National Opera vom November 2017 zugrunde. Dass sich BR Klassik und Pentatone mit dieser Doppelveröffentlichung innerhalb kurzer Zeit Konkurrenz machen, ist klar. Es wäre besser gewesen, wenn die Pentatone-CD einige Jahre früher in den Handel gekommen wäre. Indes bewirkt die fast gleichzeitige Publikation beider Einspielungen eine Legitimierung dieser nur 55 Minuten langen, auf dem gleichnamigen Stück von Oscar Wilde beruhenden Oper Zemlinskys. Ihr ist ein Siegeszug über sämtliche Bühnen des In- und Auslandes sehr zu gönnen. Es ist eine echte Rarität, die auf jeden Spielplan von großen und auch kleinen Opernhäusern gehört.

Zemlinsky hat hier in jeder Beziehung phantastische Arbeit geleistet. Sein großes Können ist wahrlich bemerkenswert. Schonungslos treibt er das dramatische Geschehen ganz an Wildes Text orientiert voran, bis er schließlich das bittere Ende erreicht. Hier finden über der Leiche des florentinischen Prinzen Guido Bardi der Kaufmann Simone und seine Frau Bianca wieder zusammen. Sie erkennt ganz erstaunt seine Stärke, er wird sich auf einmal ihrer Schönheit bewusst. Hier haben wir es mit einem reichlich makabren Ende zu tun, aber die herrliche Oper spricht für sich. Das musikalische Melos ist absolut berauschend. Den gewaltigen Klangwogen des durchkomponierten Werkes kann man sich nur schwer entziehen. Die gehen ganz schön unter die Haut. Zemlinskys durch die Bank der Spätromantik huldigender Klangteppich ist von großer Eleganz und sehr dramatisch. Dabei kam es dem Komponisten nicht auf eine weitere Revolutionierung der Tonsprache an, wie es sein Schwager Arnold Schönberg bereits getan hatte. Vielmehr intendierte er eine tonale Kompositionsweise, verbunden mit imposanten Akkordfolgen, wobei er sich auch ein wenig an Richard Strauss anlehnte. Tatsächlich fühlt man sich zu Beginn der Florentinischen Tragödie etwas an den Rosenkavalier erinnert. Diese Ähnlichkeit verwundert weiter nicht, denn am Anfang beider Opern steht der Geschlechtsakt, hier der von Octavian und der Marschallin, dort der von Bianca und Bardi. Die musikalische Huldigung Zemlinskys an Strauss ist mithin durchaus nachzuvollziehen. Ohne das Vorbild Wagners wäre diese Oper ebenfalls nicht möglich gewesen. Es handelt sich um eine ausgesprochen hitzige, stark vorwärtsdrängende Musik, die ganz dazu geeignet ist, den Zuhörer in einen musikalischen Rausch zu versetzen, was auf dieser CD Marc Albrecht und dem Netherlands Philharmonic Orchestra nicht so ganz gelingt. Die Auffassung des Dirigenten von Zemlinskys Werk ist ausgesprochen analytischer und rationaler Natur. Das oben bereits erwähnte Berauschende und der hoch emotionale Faktor der Partitur bleiben etwas auf der Strecke. Die von Albrecht angeschlagenen Tempi sind relativ langsam, bewirken aber eine treffliche Transparenz.

Der größte Teil des gesungenen Textes ist dem Kaufmann Simone zugeordnet. In dieser Partie bleibt John Lundgren etwas hinter seinen sonstigen guten Leistungen zurück. In der Mittellage wirkt er wie immer kraftvoll und markant. Die Höhe hat man von ihm dagegen schon stärker gehört. Einen soliden dramatischen Sopran bringt Ausrine Stundyte für die Bianca mit. Mit schönem, gut fokussiertem Tenor-Material zeichnet Nikolai Schukoff ein eindrucksvolles vokales Portrait des Prinzen Guido Bardi.

Ludwig Steinbach, 7. Juni 2024


Eine florentinische Tragödie
Alexander von Zemlinsky

Dutch National Opera

Musikalische Leitung: Mark Albrecht
Netherlands Philharmonic Orchestra
Pentatone

Best.Nr.: PTC 5186 739