
Nachdem ich in dem rund 600 Plätze fassenden kleinen Haus der Hauptstadt von Menorca, der kleineren (und wesentlich ruhigeren) Schwesterinsel von Mallorca, vor ein paar Jahren „Rigoletto“ bzw. „Ernani“ gesehen hatte, war mir die Einladung zur heurigen „Aida“ eine Freude. Seit Jahrzehnten leisten sich die privaten Amics de S’Òpera de Maó einmal im Jahr zwei Aufführungen einer Opernproduktion (die auch auf die mit Stühlen bestückte Hauptstraße der Stadt übertragen wird).
Nun ist gerade „Aida“ für ein kleines Haus mit einer entsprechend kleinen Bühne hinsichtlich Ausstattung schwer zu stemmen, wozu auch beschränkte finanzielle Möglichkeiten kommen. Regisseur Massimo Gasparon, ein studierter Architekt, fand aber mit Hilfe von Projektionen, die durchaus nicht als solche wirkten (mit Ausnahme des sehr gelungenen Nilakts mit Wolkenbewegungen und den Wellen des Flusses), eine ausgezeichnete Lösung, die je nach Bedarf von hölzernen Verstrebungen eingerahmt wurden, deren lila Farbe in reizvollem Gegensatz zu den projizierten, goldenen Sakralfiguren standen. Die üppigen Gewänder von Arianna Sartoria Teatrale hatte Gasparon aus einer Produktion in Macerata, bei der er vor einigen Jahren Regie geführt hatte, mitgebracht. Als Zuschauer hätte man sich fast ein wenig Wind gewünscht, um die Kostüme der Damen noch mehr bewundern zu können.
Gab es Freuden für das Auge, so standen dem die musikalischen Genüsse nicht nach. Das Orquestra Simfònica de les Illes Balears, der wichtigste Klangkörper der Balearen, folgte mit großem Einsatz dem Dirigat von Matteo Beltrami. Diesem Dirigenten gelingt es immer, auch aus nicht an Oper gewöhnten und daher weniger auf Unvorhergesehenes blitzschnell reagieren könnenden Orchestern eine überzeugende Einheit zu formen und dabei die Anliegen der Sänger nie aus dem Auge zu verlieren. Bewundernswert sein rhythmischer Sinn (Ballett!) wie auch die Formung intimer Szenen (das verklärte Todesduett von Aida und Radamès behielt seine mystische Wirkung trotz des seltsamen Regieeinfalls, Aida Selbstmord begehen zu lassen). Besonders hervorzuheben ist auch die Leistung des von Cristina Álvarez einstudierten Laienchors, dessen Leistung wahrhaft verblüffend war. Starke Zustimmung gab es für die hervorragende Leistung des Ballet de Barcelona in der stimmigen Choreographie des selbst mittanzenden Roger Cuadrado.

Als besonders schönstimmig und ausdrucksstark erwies sich die Russin Elena Guseva in der Titelrolle, die mit leuchtendem, technisch versiertem Sopran szenisch immer durchblicken ließ, dass auch sie eine Königstochter ist. Beeindruckend in Darstellung und Mimik auch die Georgierin Ketevan Kemoklidze als Amneris, deren Registerwechsel zwar nicht immer perfekt funktionierte, die aber ihren Mezzo facettenreich einsetzte. In punkto verlässlicher Höhenstrahl war der für den ursprünglich angekündigten Luciano Ganci auftretende Jorge de León eine sichere Bank. Stimmlich mehr Feldherr als Liebender, wusste er seinen Tenor an den intimeren Stellen doch auch zurückzunehmen. Aus der Mongolei kam der Bariton Ariunbaatar Ganbaatar, dessen Amonasro mit ziemlicher Sicherheit mit einer kommenden bedeutenden Karriere rechnen lässt. Simón Orfila (Ramphis), ein Sohn der Insel, wurde für seine ansprechende Leistung entsprechend bejubelt. Der Mexikaner Alejandro López war ein profunder König, dessen Bass man in der Höhne mehr Stabilität gewünscht hätte. Überraschend (und erfreulich) heldisch klang der Bote von Josip Fadó.
Der nach Mitternacht (Vorstellungsbeginn um 21 Uhr) endende Abend wurde mit Riesenapplaus bedankt. Die zweite, ebenso gefeierte Vorstellung festigte mein obiges Urteil. Sie begann übrigens um 20 Uhr, was in Spanien wohl als Nachmittagsevent gesehen wird…
Eva Pleus, 15. Juni 2025
Aida
Giuseppe Verdi
Teatre Principal de Mahón
Vorstellungen am 30.Mai und 1. Juni 2025
Regie: Massimo Gasparon
Musikalische Leitung: Matteo Beltrami
Orquestra Simfònica de les Illes Balears