So mancher Besucher im fast ausverkauften Haus in der Behrenstraße hatte am 23. Dezember 2022 einen Abend mit vielfältigem musikalischem Programm erwartet. Aber nach der Begrüßung des Publikums durch die Co-Intendantin des Hauses Susanne Moser war schon die Eröffnungsrede des Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier über Gebühr ausgedehnt und redundant. Und Wort-lastig sollte fast das ganze Programm bleiben – mit Reden, vielen Interviews und noch mehr Glückwünschen. Das eingespielte historische Filmmaterial war zweifellos wissenswert und interessant, aber der Abend hätte eher den Titel Dokumentation tragen sollen – für eine Gala fehlte der Glanz. Erst mit der vorletzten Nummer des Programms und dem glamourösen Auftritt von Dagmar Manzel als Titelheldin in Oscar Straus’ Operette „Die Perlen der Cleopatra“ stellte sich dieser ein.
Mit der Ouvertüre zur „Fledermaus“ von Johann Strauss hatte der Abend in der szenischen Einrichtung von Axel Ranisch begonnen – jener Operette in der Inszenierung von Walter Felsenstein, mit der am 23. Dezember 1947 das Haus eröffnet worden war. Illustriert wurde die Musik – von Hendrik Vestmann und dem Orchester der Komischen Oper Berlin mit Verve und rasanter Steigerung serviert – von Filmaufnahmen des im Krieg zerstörten Theaters, seinem Wiederaufbau und Szenen aus der Eröffnungsproduktion.
Der Gründer und Hausherr kam in mehreren Filmausschnitten und eingespielten Ansprachen an das Ensemble zu Wort, erschien in Gestalt von Max Hopp sogar höchstpersönlich in einer Proszeniumsloge, um einen seiner berühmten Grundsätze über die Oper zu verkünden. Danach bot der Kinderchor des Hauses (Einstudierung: Dagmar Fiebach) als Fuchskinder eine Szene aus Janáceks Oper „Das schlaue Füchslein“ und erinnerte damit an eine der legendären Inszenierungen Felsensteins. Eine andere war Offenbachs „Ritter Blaubart“, aus dem das Ensemble „Wollt ihr in der Freiheit Lüften“ erklang, leider mit Susan Zarrabi nur einstimmig besetzt. Natürlich wurde auch an die Erfolgsproduktion von 1971 „Der Fiedler auf dem Dach“ erinnert, die über 500mal aufgeführt wurde. Barrie Kosky inszenierte das Musical mit Max Hopp als Tevje neu, der dessen berühmtes Lied „Ist es Liebe“ sang.
Unvermittelt und ohne inhaltlichen Zusammenhang folgte das Terzettino „Soave sia il vento“ aus Mozarts Così fan tutte mit Nadja Mchantaf/Fiordiligi, Susan Zarrabi/Dorabella und Günter Papendell/Don Alfonso vor dem roten Samtvorhang in schwarzer Kleidung. Zur strengen Aura des Trios korrespondierte dessen mangelhafter stimmlicher Zusammenklang. Mit dem Ausschnitt sollte an die Inszenierung dieser Mozart-Oper durch Harry Kupfer 1984 erinnert werden, der ab 1981 als Chefregisseur das künstlerische Profil des Hauses bestimmte. Kein Wort aber fiel über Joachim Herz, der 1975 zu Felsensteins unmittelbarem Nachfolger berufen wurde und mit Inszenierungen von Mahagonny, Lulu und Peter Grimes Bedeutendes leistete. Auch der Felsenstein-Schüler Götz Friedrich, von 1968 bis 1972 Oberspielleiter am Haus, fand keine Erwähnung. Dafür kam Andreas Homoki ausführlich zu Wort, dessen Inszenierung der Prokofjew-Oper „Die Liebe zu drei Orangen“ von 1998 als die bis heute längst gespielte Produktion des Hauses gilt.
Das Duett Prinz und Ninetta mit Rupert Charlesworth und Mirka Wagner brachte eine Szene aus der Inszenierung in der Originalausstattung auf die Bühne. Mehrfach war Barrie Kosky zu sehen, der in seiner Amtszeit vor allem das Genre der Jazz-Operette wieder belebt hatte. Kurze Filmszenen waren der Regisseurin Christine Mielitz und dem Choreografen Tom Schilling, der 1967 das Tanztheater-Ensemble gegründet hatte, gewidmet. Beim Finale, „Im Feuerstrom der Reben“ aus der Fledermaus, rieselte auf alle Mitwirkenden Goldflitter von oben herab, womit sich doch noch ein Gala-Effekt einstellte.
Bernd Hoppe 28. Dezember 2022
Die Gala
Komische Oper Berlin
23. Dezember 2022
Szenische Einrichtung: Axel Ranisch
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Orchester der Komischen Oper Berlin