Am 15. Dezember 2022 gab es im Auditorium eine recht seltsame Programmzusammenstellung, denn das Orchestra Sinfonica di Milano (vormals Orchestra Verdi) spielte unter der Leitung von Pablo Heras-Casado im ersten Teil Mozarts Sinfonie Nr. 38 D-Dur, die sogenannte „Prager“, und im zweiten nichts weniger als den 2. Akt von „Parsifal“! Nachdem Mozarts Komposition mehr oder weniger angenehm vorbeigeplätschert war, interessierte natürlich der Zugriff des in letzter Zeit vielgefragten Dirigenten auf Wagners letztes Werk, das er im kommenden Sommer in Bayreuth dirigieren soll. Mit einem Klangkörper, der ziemlich selten mit Oper zu tun hat, gelang eine passable Interpretation – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Stimmlich am besten war der Klingsor von Samuel Youn, dessen Bariton im Laufe der Jahre zwar etwas trocken geworden ist, aber von dem Koreaner mit starker Bewusstheit des Wort- und dramatischen Sinns eingesetzt wird. Der Finne Tuomas Katajala gab einen gesanglich sicheren, interpretationsmäßig wenig interessanten Parsifal. Als Kundry war Marina Prudenskaja angekündigt, doch zu hören war Ursula Hesse von den Steinen, die sehr um Ausdruck bemüht war, aber viele scharfe Spitzentöne nicht zu kaschieren vermochte. Im Ganzen, sieht man von dem „Probedirigat“ für Bayreuth ab, eine nicht sehr aufregende Sache. Allerdings sah ich viele Bekannte, die gestanden, hinsichtlich Wagner an Entzugserscheinungen zu leiden, und auch diese Interpretation gern gehört zu haben.
Am 18. Dezember 2022 eröffnete Michael Volle die Reihe der Liederabende der Scalasaison 2022/23. Das Datum lag zwischen seinen Wiener „Meistersinger“-Vorstellungen am 16. und 20. Dezember. Ich bedaure, das sagen zu müssen, aber die Stimme des Künstlers klang alles andere als frisch, obwohl sein Programm zum Großteil Lieder umfasste, in denen eine gewisse Kraft gefordert wird, sodass er sich nicht mit allzu vielen Pianopassagen abmühen musste. Nach Mozarts etwas trocken klingender „Kleiner deutschen Kantate“ KV 619 gelang in der Schubert gewidmeten deutschsprachigen Gruppe demgemäß „Prometheus“ D 674 am besten. Die „Drei Gesänge“ D 902 auf Texte von Metastasio und Sterbini litten unter der schlechten Aussprache des Künstlers. Seine im Deutschen vorbildliche Textbehandlung übertrug er hinsichtlich des Akzents unverändert ins Italienische. Internationale Karrieren erlauben solche Fehler meiner Ansicht nach nicht mehr (man denke nur an Samuel Ramey oder Bryn Terfel, zwei Künstler, die nicht italienisch sprechen und ihre Rollen dennoch akzentfrei singen bzw. sangen). Unter diesem Handicap litten auch die nach der Pause vorgetragenen „Tre sonetti del Petrarca“ von Franz Liszt, trotz ihrer fesselnden dramatischen Interpretation. Überzeugender fielen somit die weiteren fünf Lieder von Franz Liszt auf u.a. Texte von Heine, Goethe und Lenau aus. Dass bei allen Liedern ein Notenpult eine Rolle spielte, machte in meinen Augen die Sache nicht besser. Der ungefähr halbvolle Saal erklatschte sich noch drei Zugaben von Schubertliedern. Persönlich habe ich am meisten das Spiel von Helmut Deutsch am Klavier genossen – diesem wahren König der Liedbegleitung zu lauschen, ist immer eine Freude für sich.
Eva Pleus, 30. Dezember 2022
Mailänder Scala
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15. Dezember 2022
Mozart „Sinfonie Nr. 38 D-Dur„
Richard Wagner „2. Akt „Parsifal„
Dirigat: Pablo Heras-Casado
Orchestra Sinfonica di Milano
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18. Dezember 2022
1. Liederabend mit Michael Volle
Klavier: Helmut Deutsch