Nachdem junge Sänger der Deutschen Oper das nach Musik lechzende Publikum bereits mit dem Streamen ihrer Darbietungen erfreut hatten, bot das Haus nach Erstellung eines raffinierten Hygienekonzepts nun auch Live-Konzerte an, wobei zwar der auf dem Besetzungszettel noch vorhandene Mozart abhanden gekommen war, als „u.v.m.“ aber immerhin zwei Nummern aus Bizets Perlenfischern zu goutieren waren. Das Allerbeste allerdings gab es gleich am Anfang zu bestaunen, einen mitreißende Pagliacci-Prolog, gesungen von Markus Brück, der auch die Moderation des knapp anderthalbstündigen Abends übernommen hatte und mit noch machtvoller gewordenem Bariton, der die Schönheit des Timbres bewahrt hatte, schon einmal für das lustvolle Erschauern gesorgt hatte, das dem Opernfreund erst den richtigen Genuss bereitet. Auf der Bühne begrüßte man zudem voller Freude das Sofa aus der Andrea-Chénier-Produktion der Deutschen Oper, dazu eine kleine Bar, eine Tür und einen Paravent hinter dem Flügel, an dem nacheinander drei Pianisten, Rupert Dussmann, John Parr und Maxime Perrin, die Sänger begleiteten. Gerlinde Pelkowski und Philine Tiezel hatten kleine Spielszenen für die Auftritte der Sänger ersonnen, Markus Brück berichtete knapp über deren bisherigen Karriereweg.
Lieblingsstücke waren durchaus nicht nur gängige, allseits bekannte Arien, sondern auch ein Händelblock mit Musik aus Orlando und Rinaldo. Padraic Rowans Bassbariton wetteiferte in „Sorge infausta“ mit der Beweglichkeit des aus unzähligen schimmernden Streifen bestehenden Vorhangs an der Rückseite der Bühne, metallischer noch klang dieselbe Stimmlage bei Joel Allison in „Sibillar gli angui d’Aletto“; zum Duett mit Alexandra Hutton, die einen frischen, geschmeidigen Sopran präsentieren konnte, kehrte Padraic Rowans zurück. Für den Händelblock war eine kleine Szene erfunden worden, in der sogar Degen zum kämpferischen Einsatz kamen.
Byung Gil Kim hatte zuvor als Kaspar mit „Schweig, Schweig“ bewiesen, dass er über die scheinbar miteinander unvereinbaren Fähigkeiten eines dramatischen Koloraturbasses verfügt, handhabte dazu noch das Gewehr des Jägerburschen. Der Zuschauerraum der DO war offensichtlich für die Elisabeth von Rebecca Pedersen die „teure Halle“, in der sie eine schöne Mittellage und eine noch um Rundung und Fülle bemühte Höhe zeigte.
Einen vielfarbigen, geschmeidigen Sopran setzte Meechot Marrero für Donizettis Norina ein, dazu viel überschäumendes komödiantisches Talent. Dean Murphy als Malatesta war dazu der adäquate Partner mit farbschönem, gewandtem Bariton. Als Zurga bewies er später noch, dass ihm auch das französische Fach liegt.
Aus Puccinis Erstlingswerk Le Villi hatte der Tenor Andrei Danilov seine Lieblings-Arie gewählt und konnte mit einem schönen italienischen Timbre und eindrucksvollem Squillo reüssieren dazu mit einem geradezu herzzerreißenden „morta“. Auch den schlankeren Nadir bewältigte er im Tempelduett mit John Allison mehr als zufriedenstellend. Eine gewaltige Röhre zur imponierenden Gestalt hatte Patrick Guetti für Rossinis Calunnia, deren „colpo di cannone“ nichts zu wünschen übrig ließ. Wenn ein Sänger Spaß daran hat, sich zu exhibieren, dann bereitet das auch dem Publikum Freude. Bereits bei der Verdi-Gala hatte sich Irene Roberts mit dem „Don fatale“ vorgestellt, das sie nun vor der zum Spiegel verwandelten Bar wiederholte.
Zum Schluss vereinigten sich die Stimmen fast aller bis dahin Mitgewirkthabenden und noch einiger Sänger dazu zu der Schlussfuge aus Falstaff, zum „tutti gabbati“ ging das Licht im Saal an und erinnerte an die wunderbare Götz-Friedrich-Produktion, die inzwischen von einer Trübsinn verbreitenden abgelöst wurde.
Natürlich gibt es auch ein Lieblingsstücke I, das am 24.10.wiederholt wird. Der Besuch beider kann nur empfohlen werden.
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11.10.2020 Ingrid Wanja