Peter Eötvös
Premiere: 18. Januar 2020
Wenige Opern haben solch eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte: Im Februar 2010 bringt die Bayerische Staatsoper „Die Tragödie des Teufels“ von Peter Eötvös auf ein Libretto von Albert Ostermaier zur Uraufführung. Das Stück fällt bei der Presse durch, erlebt aber immerhin 10 Aufführungen in München. Eötvös scheint aber selbst unzufrieden zu sein, lässt sich von Ostermaier zwei neue Szenen schreiben, richtet den Text gemeinsam mit seiner Frau Mari Mezei ein und komponiert eine ganz neue Musik. Die Oper wird unter dem Titel „Paradise Reoladed (Lilith)“ im Oktober 2013 an der Neuen Oper Wien uraufgeführt und danach in Budapest und Chemnitz nachgespielt. Nun wagt sich das Theater Bielefeld an diese Oper und Komponist Eötvös adelt die Premiere mit seiner Anwesenheit.
Ostermaier und Eötvös erzählen eine apokryphe biblische Geschichte von Adams erster Frau Lilith: Diese wird nicht aus Adams Rippe geschaffen, sondern als gleichberechtigte Partnerin Adams. Lucifer geht mit Adam eine Wette ein und führt ihn durch die Geschichte der Menschheit und ihre Verbrechen, was dazu führt, dass Adam diese durch seinen Selbstmord verhindern will. Doch Evas Schwangerschaft lässt Hoffnung in ihm keimen.
Lilith ist zwar die Titelfigur dieser Oper und laut Eötvös geht es hier auch um die Frage, ob die Frauen gleichberechtigt gewesen wären, wenn die Bibel Lilith als Adams Frau präsentiert hätte. Jedoch wird bei dieser Oper, obwohl sie der zweite Versuch zum gleichen Thema ist, nicht klar, was der zentrale Konflikt und die Botschaft an den Zuschauer ist. Mal steht der Teufelspakt, mal Adams Reise durch die Geschichte der Menschheit, mal Lilith im Mittelpunkt, aber der rote Faden fehlt.
Trotzdem schreibt Eötvös eine Musik, die plastisch, stark und bildkräftig ist. Immer wieder lauscht man fasziniert seinen Klängen und ganz vergisst dabei, auf die Übertitel zu schauen und über die Geschichte nachzudenken. Dirigent Gregor Rott bringt die Musik sehr energiegeladen zu Gehör, jedoch überrascht, dass die Sängerinnen Mikroports tragen, um gegen das Orchester anzukommen. Ein solch erfahrener Komponist wie Eötvös, der auch selbst als Dirigent aktiv ist, müsste seine Klangvorstellungen auch umsetzen können, ohne die Sänger zu übertönen.
Trotzdem bieten die Sänger treffende Rollenporträts: Frank Dolphin Wong ist ein scharf und stark artikulierender Lucifer, Lorin Wey singt den Adam mit weicher lyrischer Stimme, die viel Kopfresonanz besitzt. Veronika Lee lässt als Eva die Koloraturen blitzen. Sehr genau artikuliert Nohad Becker in der Rolle der Lilith, jedoch bräuchte die Rolle mehr dramatische Intensität. Das Trio der Engel ist mit Seung-Koo Lim, Caio Monteoiro und Enrico Wenzel trefflich besetzt.
Die Regie hat, ähnlich wie das Libretto, das Problem, dass nicht richtig klar ist, welche Geschichte im Zentrum steht. Regisseur Wolfgang Nägele bringt mit den spielfreudigen Darstellern genau gezeichnete Charaktere auf die Bühne, aber die Reise durch die Menschheitsgeschichte spielt vor einem roten Vorhang, ohne dass die Geschichte klar konkretisiert und verortet wird.
Vom Bielefelder Publikum gibt es aber trotzdem einhelligen Jubel für alle Akteure und das Regieteam. Besonders gefeiert wird Komponist Peter Eötvös.
Bilder (c) Bettina Stöß
Rudolf Hermes, 26.11.2022