Dvořák
Premiere: 25.05.2019
Buntes Märchenvergnügen
Lieber Opernfreund-Freund,
Antonin Dvořáks fantastische Rusalka ist fest im hiesigen Opernrepertoire verankert, allein fünf Neuproduktionen auf deutschen Bühnen kündigen die bisher veröffentlichten Pläne für die kommende Spielzeit an. Dass der fleißige Tscheche noch neun weitere Opern geschrieben hat, ist hingegen hierzulande weitgehend unbekannt. Unter ihnen befindet sich ein weiteres Märchen, Katja und der Teufel (im Original Čert a Káča), das zu Unrecht ein Schattendasein führt, wie die spritzige Produktion beweist, die gestern am Anhaltischen Theater in Dessau Premiere hatte.
Katja kommt bei den anderen Dorfbewohnern nicht gut an. Zu resolut tritt die junge Frau auf, lässt sich nichts sagen, vertritt energisch ihre Meinung und hat ihren eigenen Kopf. Deshalb will auch auf der Kirchweih niemand mit ihr tanzen, so dass Katja laut kundtut, dass sie sogar mit dem Teufel selbst tanzen würde. Der erscheint prompt in der Gestalt Marbuels, eigentlich um die böse Fürstin, die die Dorfbewohner unterjocht, in die Hölle zu holen. Doch statt ihrer trägt er erst einmal Katja in die Unterwelt. Der unglücklich in sie verliebte Schäfer Jirka eilt hinterher, um sie zurück zu holen. Die Teufel in der Hölle sind von der laut schimpfenden Katja auch alles andere als begeistert und geben sie gerne frei. Als Marbuel auf die Erde zurückkehrt, vereitelt Jirka, dass er die mittlerweile geläuterte Fürstin mit in die Hölle nimmt, indem er ihm die noch immer schimpfende Katja auf den Hals hetzt. Marbuel flieht in die Hölle, die Fürstin erhebt Jirka unter den Jubelrufen des Volkes in den Ministerstand und beschenkt Katja reichlich.
Der Märchenstoff von Božena Němcová bedient so manches althergebrachte Klischee: die so sympathische wie kratzbürstige Quasselstrippe mit dem großen Herzen, den einfältigen Verliebten, der todesmutig zur Rettung aufbricht, und den geläuterten Übeltäter, der hier in Form der Fürstin auftritt. Und doch präsentiert Jakob Peters-Messer die früher gerne sperrig mit Die Teufelskäthe übersetze Oper alles andere als altbacken und verstaubt. Auf der grellbunten und wandelbaren Bühne von Markus Meyer gibt er dem beherzt aufspielenden Ensemble allen Raum, das Märchen zu erzählen, ergänzt mit witzigen szenischen Einfällen und überzeugt mit lebendiger Personenführung, so dass keine Sekunde Langeweile aufkommt. Die quietischigen Kostüme von Sven Bindseil sind wunderbar und echte Hingucker, die Choreografie von Nigel Watson originell und niemals aufdringlich. Denn Katja und der Teufel ist eine wahre Tanzoper, der erste Akt getragen von volkstümlich angehauchten Melodien, während im folgenden spritzige Balletteinlagen und eher höfische Tanzrhythmen den Klang des Werkes bestimmen. Feine Soli hat Dvořák für Jirka ersonnen, eine große Szene für die Fürstin. Der Chor – und hier vor allem die teuflischen Herren – ist ebenso gefordert wie das komödiantische Talent des Ensembles – und von allem scheint das Anhaltische Theater im Überfluss zu haben.
In der Titelpartie glänzt Rita Kapfhammer und gibt eine erfrischend energische Katja voller musikalischer Durchsetzungskraft, scheint einer Mischung aus „Kohlhiesels Töchter“ und „Kiss me, Kate“ entsprungen und überzeugt durch komödiantisches Timing und eine über den Graben wahrnehmbare Freude am Spiel. Das ist ansteckend und das allein macht den Abend zum Genuss. Doch steht ihr Kammersänger Ulf Paulsen in der Rolle des Teufels in nichts nach, singt bei allem Augenzwinkern hervorragend und ist ein umwerfender Marbuel. Kammersängerin Iordanka Derilova macht großen Eindruck in der kurzen, aber effektgeladenen Partie der Fürstin, überzeugt mit royaler Grandezza und imposanter Bühnenpräsenz. Schäfer Jirka findet in Richard Samek, dem einzigen Gast in dieser Produktion, den idealen Gestalter, so weich und klar ist sein anschmiegsamer Tenor. Don Lee verleiht dem Oberteufel Lucifer mit seinem klanggewaltigen Bass Profil, während aus der Gruppe der kleineren, durchweg gut besetzten Partien von Chorsolisten eindeutig der Pförtner-Teufel von Cezary Rotkiewicz hervorsticht. Sein Bass macht Eindruck und Lust auf mehr.
Der vielbeschäftigte Chor ist bestens aufgelegt, überzeugt durch fein aufeinander abgestimmte Stimmen und packendes Spiel. Sebastian Kennerknecht hat ihn präzise auf seine umfangreiche Aufgabe vorbereitet. Im Graben gelingt der 1. Kapellmeisterin Elisa Gogou das Kunststück einer Gratwanderung: Die aus Griechenland stammende Dirigentin gibt den folkloristischen Themen und Melodien ebenso viel Raum, wie der klassisch-dramatischen Komposition Dvořáks und zeigt die Partitur so in ihrer vollen Farbenpracht. Das Publikum ist begeistert von dieser Musik, der makellosen musikalischen Interpretation und der stimmigen und kurzweiligen Umsetzung durch das Produktionsteam und spendet frenetisch Beifall. Auch ich kann Ihnen diese Produktion rückhaltlos empfehlen – und sollten Sie, lieber Opernfreund-Freund, es nicht zur einzigen weiteren Vorstellung am kommenden Samstag nach Dessau schaffen, dürfen Sie sich auf eine Wiederaufnahme in der kommenden Spielzeit freuen.
Ihr Jochen Rüth 26.05.2019
Die Fotos stammen von Claudia Heysel