Dessau: „Kiss Me, Kate“

Premiere 19. Januar 2018

Wagner meets Musical oder "Porter at his Best"

Ich könnte meine Kritik ganz kurz halten und einfach schreiben “Ticket lösen, rein gehen und genießen!“. Das würde den Kern der Sache durchaus treffen, würde aber der Leistung des Theaters Dessau nicht genügen.

Als ich im Vorfeld einen ersten Blick auf die Besetzungsliste warf, dachte ich so bei mir, ob diese Mischung aus Musicaldarstellern und ausgezeichneten, an Wagner gestählten, Opernsänger funktioniert. Zu oft geht es daneben, wenn sich das Opernpersonal mal eine kleine Auszeit im Musical gönnt. Nicht so in Dessau. Johannes Weigand und Wolfgang Kluge schaffen diese Gratwanderung zu meiner vollsten Zufriedenheit. Die Anhaltische Philharmonie spielt die Originalpartitur, ein satter Swingsound ertönt aus dem Graben, statt der so häufig reduzierten Fassung. Und dieser Elan überträgt sich auf die Bühne, genauso wie ins Publikum. Und gleich von Anfang an ist man ins Geschehen hineingerissen.


Johannes Weigand führt sein Publikum in die Schlussphase der Generalprobe. Ulf Paulsen, gibt den Fred Graham als selbstverliebten, alternden Gockel, der stets hinter dem neuesten Rock herjagt. Graham, Regisseur und sein eigener Hauptdarsteller, möchte seinen neuesten Eintrag in seinem Leporello, Lois Lane, gerne forcieren, wenn da nicht seine Ex Lilli Vanessi, auch im Ensemble wäre. Falsch zugestellte Blumengrüße führen die Situation ins Absurde. Lois Lane, Barsängerin mit Ambitinen auf die große Bühne, macht dieses Spielchen mit um ihren Lover Bill Calhoun, oder könnte man böserweise ihren Zuhälter schreiben, bei dem vielen Geld, das sie ihm zusteckt, liegt die Vermutung nahe, ebenfalls zu fördern. Eben dieser hat sich gründlich verzockt und im Milieu einen Schuldschein mit falschen Namen unterschrieben. Zwei ehrbare Gangster wollen eben nun dieses Geld eintreiben, bei Fred Graham. Der schafft es die beiden für seine Zwecke einzuspannen, und Lilli Daran zu hindern die Premiere platzen zu lassen.


Diese Mischung aus Shakespeare und amerikanischer Nachkriegsmoral zündet ein Feuerwerk an Komik. Das Verweben der Renaissancetexte mit der Alltagssprache des Bühnenmilieus, hier das hochliterarische, da der derbe Tonfall sind ein Meisterwerk für sich. Und genau dafür braucht es ausgezeichnete Sängerschauspieler. Allen voran will ich Rita Kapfhammer und Ulf Paulsen benennen. Wenn sich Wotan und Fricka mal auf einer ganz anderen Ebene bekriegen, dann hat das schon was ganz Besonderes. Ihnen gehört auch der erste Showstopper. Wunderbar, eine Parodie auf den Operettenschmalz erklärt die Beziehung der beiden zueinander, installiert gekonnt das Wechselspiel zwischen Aggression und immer noch vorhanden Verliebtheit des zerstrittenen Paares.

Karen Helbing spielt, nein sie ist Lois Lane. Ein Mädchen mit Vergangenheit, stets auf der Suche nach dem richtigen. Ihre Sehnsucht nach Sicherheit, nach Geborgenheit drückt sie gleich im ersten Akt aus, wenn sie sich und Bill die Frage stellt „Wann kann ich dir trau‘n“. Ihre bewegte Biographie erfahren wir dann bei der, vermutlich lückenhaften Aufzählung, ihrer Affären „Aber treu bin ich nur dir“. Und trotzdem bleibt sie das Wesen, das die männlichen Beschützerinstinkte weckt, von Grund auf ehrlich und lieb. Viel flatterhafter ist ihre Bühnenfigur Bianca. Gleich drei Feier wickelt sie um den Finger. Gremio, Hortensio und Lucentio buhlen um die Gunst der Schönen. Thiago Fayad, David Ameln und Tobias Brönner verkörpern die drei Brunfthirsche, aufs köstlichste konterkariert durch die Kostüme von Judith Fischer.
Wenn nach der Pause endlich das Geschehen weitergeht, spürt man die südliche Hitze auf der Bühne trotz winterlichen Außentemperaturen förmlich auch im Zuschauerraum. Alexander Nicolic begleitet sich selbst auf der Gitarre zu „Viel zu heiß“ und die darauffolgende Ballettnummer bringt dann die Stimmung zum Kochen.

Bei Shakespeare gibt es in den Tragödien immer was zu lachen und in seinen Komödien sind auch immer nachdenkliche Momente. So auch in Kiss me Kate.
Johannes Weigand gelingt es die beiden Handlungsstränge, Der Widerspenstigen Zähmung auf der „Bühne“ mit dem privaten Geschehen hinter der Bühne zu verbinden. So gut, dass die Übergänge oft nicht mehr zu spüren sind. Dass dies gelingt liegt in einer ausgefuchsten Personenführung und an einem auch schauspielerisch exzellenten Ensemble. Ballett, Chor und die Solisten fügen sich zu einem Mosaik zusammen. Die allgemein heitere Stimmung findet ihren Höhepunkt im Couplet der beiden namenlosen Gangster. Michael Tews und Kostadin Argirov, Wagnersänger bester Qualität, zeigen sich hier als Komiker erster Güte. „Schlag nach bei Shakespeare“ ist ihr Rat an die Herren um die Damen schneller rumzukriegen. Es geht doch nichts über ein fundiertes Halbwissen, jeder Lehrer wird es ihnen bestätigen.
Bei den vielen Nichtgenannten möchte ich mich entschuldigen und bedanken, denn der Ausdruck Gesamtkunstwerk, und damit sind wir wieder bei Wagner, bekommt mit dieser Inszenierung voller Witz und Geist, einer fantasievollen Ausstattung und einer Perlenkette voller musikalischer Highlights letztendlich seine Bestätigung.
Der Premierenabend endete mit einem langen, voll verdienten Applaus eines begeisterten Publikums!

https://www.youtube.com/watch?v=hOh5ATWQNHs

Alexander Hauer 22.2.2018

Bilder (c) Anhaltisches Theater Dessau