Hannover: „Manon Lescaut“

(Premiere am 10.09.16)

Arbeiten für das Repertoire

TRAILER

Puccini scheint ein gern genommener Komponist zur Saisoneröffnung zu sein, so hat die Staatsoper Hannover sich auch für ein Werk des Meisters entschieden, zu meiner Freude mal nicht die "Tosca", sondern den nicht so oft gegebenen Ersterfolg "Manon Lescaut".

Liebe Theaterplaner, hier mal in vielleicht eigener Sache, natürlich ist die "Tosca" ein Meisterwerk und recht populär, aber bei der Premierenschwemme dieses Stückes in den letzten drei Jahren, mag man es, zumindestens als viel ansehender Kritiker, langsam echt nicht mehr sehen, es gibt da durchaus Alternativen… So in Hannover also "Manon Lescaut", vielleicht dramaturgisch nicht ganz so präzise gearbeitet, wie die "Manon" von Massenet, doch musikalisch ein echter Knüller. Natürlich liegt das Gelingen vor allem auch an den Protagonisten des getriebenen Paares, eben Manon und Des Grieux. Gerade da hat man an der Leine ein echtes, musikalisches Traumpaar auf der Bühne: Karine Babajanyan, die ja sicherlich eine der Puccini-Sängerinnen unserer Tage ist, singt diese Partien an vielen großen Häusern, konnte mit interessanten Rollenperspektiven (deutsches Fach!) fest in das Ensemble der Staatsoper gewonnen werden, wo sie neben den Puccinipartien der Mimi und Tosca, noch spannende Aufgaben erwarten. Die Manon ist eine ihrer Lieblingsrollen, so konnte man sich entspannt zurücklehnen und ihrem sinnlichen Sopran folgen, die Mittellage apart fruchtig, die lyrischen Bögen geschmackvoll bestreitend ("In quelle trine morbide" , ein Genuss!), die Verzweiflungen des finalen Aktes stets auf Belcanto-Linie gesungen, dabei ein perfektes Rollenporträt bietend. An ihrer Seite als Des Grieux Ricardo Tamura, der mittlerweile wohl auch sein Met-Debut gegeben hat (?), auch hier ein Sänger mit kultiviertem Gesang, einer bombigen Höhe, ein richtiger Tenor, wie man es gern hört, ganz große Klasse, ganz große Oper !

Doch auch das Personal Drumherum kann sich hören lassen: der virile Bassbariton von Brian Davis als Lescaut, der gar nicht so alt wirkende Geronte von Shavleg Armasi, Hanna Larissa Naujoks kleiner feiner Auftritt als Musiker, Edward Mouts charaktervoller Tenor als Tanzmeister/ Lampenanzünder, wie alle anderen. Bloß Sung-Keun Parks Tenor als Edmondo wirkte durch das große Puccini-Orchester mühevoll und strapaziert, szenisch stand er ein bißchen sehr "unter Starkstrom", was auch an der Regie gelegen haben mochte.

Eigentlich müßte das Publikum mit Olivier Tambosis doch recht konventioneller Regie sehr zufrieden sein, doch das Hannoversche Publikum ist aufgeschlossener, als man denkt, so hörte man in der Pause doch einige Stimmen, denen die Inszenierung zu hausbacken war. Meiner Meinung nach lag das an dem doch gerade in den ersten Akten etwas anbiederndem Gestus der Regie, der Chor und die Nebenfiguren samt zweier Tänzer ließen an Duracellhäschen auf Droge denken, so übertrieben "operettig" mußten sie durch die Gegend turnen, weniger wäre dabei deutlich mehr gewesen, eine Konzentration auf eine feiner Personenregie ein Gewinn. Der dritte Akt mit der Prostituiertenverschickung dann wieder übertrieben mit dem "Über-Henker", der den Damen brutal ein Brandmal plazierte. Der vierte Akt in seiner reduzierten Schlichtheit war dann schon wohltuend. Eigentlich war an Tambosis konservativem Konzept alles richtig, erzählt es doch schlicht die Geschichte, doch über das "Wie" lässt sich streiten.

Frank Philipp Schlößmann baut ein beeindruckendes Bühnenbild, das die Stadt mit ihren beleuchteten Fenster, also die menschliche Zivilisation, als Ausgangspunkt für das persönliche Drama nimmt. Die dunkel grundierten Bilder sind keine realistische Bühne , sondern eine passende Folie für Gesine Völlms historische Kostüme, eine rechte Augenweide, wenngleich auch hier die Perücken ein wenig in Richtung Übertreibung gehen. Der Chor und Extrachor der Staatsoper singen ganz hervorragend, gerade der heikle erste Akt gelingt prima, schauspielerisch geben sie mit viel Verve den übertriebenen Gestus der Regie wieder. Alexander Drcar hat die Produktion für den erkrankten Ivan Repusic übernommen und macht seine Sache mit dem exzellent eingespielten Niedersächsischen Staatsorchester ganz hervorragend. Vielleicht gerät die zweite Hälfte des ersten Aktes an diesem Abend etwas ins "Schleppen". Das Intermezzo kommt etwas laut aus dem Graben, das müsste nicht ganz so. Aber insgesamt ein musikalisch sehr gelungener Auftakt der neuen Spielzeit. Die Produktion ist gut, um das Werk überhaupt erst einmal kennenzulernen. Die beiden Protagonisten sind mehr als überzeugend und lohnen einen Besuch in der Niedersächsischen Landeshauptstadt.

Martin Freitag 23.9.16

Fotos: Jörg Landsberg