Aufführung am 1.3.2017
Kammerspiele in der Messe
Der junge Innsbrucker Komponist Kenneth Winkler (Jahrgang 1988) erhielt seitens des Tiroler Landestheaters den Auftrag, für dessen Reihe „Opera Austria“ eine Kammeroper zu schreiben. Winkler konnte bereits Proben seines Talentes am TLT abliefern, und zwar schrieb er die Bühnenmusik für „Die Räuber“ und „Bernarda Albas Haus“ sowie für die Tanztheaterproduktion „Körper.Seelen“. Intendant Johannes Reitmeier erkor Franz Kranewitters „Totentanz“, quasi der Epilog zu den vorangegangenen „Sieben Totsünden“ des Tiroler Dramatikers (1860 – 1938) als geeignetes Sujet für Winklers Opernerstling.
Um es vorweg zu nehmen – das Experiment gelang, Winkler macht Lust auf mehr. Seine Musik ist, obwohl nur mit sechs Instrumentalsolisten besetzt, abwechslungsreich, farbig, teils melodisch – getragen (die Szenen mit den zwei „Stimmen“), teil aber auch ganz schön „rappig“, mit Computersound-Untermalung. Alles eher als ein Ohrenschinder und auch für Frischlinge auf dem Gebiet der zeitgenössischen Oper bestens geeignet.
In spannenden 75 Minuten wird die teils makabre Geschichte vom Totengräber und seiner Frau erzählt, die in Zeiten des großen Sterbens (Pest!) als einzig Überlebende dank Leichenfledderei zu Wohlstand gekommen sind. Alles, was ihnen wertvoll erschien, wurde von den Toten abgenommen und gierig in einer sargähnlichen Truhe verwahrt. Aber Tod und Todin sind auf dem Weg zu dem liederlichen Paar und fordern diese auf, sich ihnen anzuschließen. Die Totengräbersleut‘ bitten und flehen, es wird ihnen eine „Gnade“ gewährt: die beiden sollen unter sich ausmachen, wer als Erster gehen muss. Ein erbitterterter Kampf auf Leben und Tod nimmt seinen Anfang.
Der Charakter-Tenor Dale Albright und die immer wieder ob ihrer Vielseitigkeit gepriesene Susanna von der Burg bringen das mit allen Todsünden „gesegnete“ Duo Infernal überzeugend auf die Bühne und machen einen erschaudern. Tolle Singschauspieler, die beiden! Schönstimmig und äußerst jugendlich-attraktiv betreten Tod (Florian Stern) und Todin (Susanne Langbein) die Bühne, um ihre nächsten Opfer einzusammeln. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die „Heimbringer“ mit derart delikaten Tönen ausgestattet werden? In den Intermezzi sowie im Pro- und Epilog tauchen zwei namenlose, lediglich als „Stimmen“ bezeichnete Wesen auf. Der souveräne Tenor Joshua Lindsay und die zauberhafte, mit einem Edelmezzo allererster Güte gesegnete Camilla Lehmeier veredeln dieses geheimnisvolle Paar. Großartiges leistet die (inkl. Dirigent) sechsköpfige Formation „Tiroler Ensemble für Neue Musik“ – Ernst Theuerkauf (Viola), Sunhild Anker (Violincello), Martin Flörl (Trompete), Robert Jöchl (Posaune), Fausto Quintabà (Klavier) sowie der alles bestens koordinierende Hansjörg Sofka (Computersound).
Alexander Kratzers Debut als Opernregisseur überzeugte auf Anhieb, die spannende Ballade sorgte für wohliges Gruseln. Gera Grafs der „Toteninsel“ nachempfundenes, den eingeschränkten Bühnenraum sensationell vergrößerndes Bühnenbild sowie die treffenden, personenbezogenen Kostüme rundeten den überaus positiven Eindruck ab. Überaus herzlicher, lange anhaltender Applaus des vollen Hauses.
Fazit: es wäre schade, wenn diese Opernproduktion nach Ablauf der Serie verschwinden würde. Szenische Umsetzung und vor allem die musikalischen Leistungen beeindruckten enorm, lediglich ein Teil des Librettos mit seinen teilweise banalen Reimchen (speziell in den Totengräberszenen) sorgten für so manche Pein.
Bilder (c) Tiroler Landestheater / Rupert Larl
Dietmar Plattner 5.3.2017
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