8.7.2022 (Premiere am 7.12.2013)
Hier passen Bühne und Graben noch halbwegs zusammen
Es wird düster am ersten Tag der Tetralogie. Rosamund Gilmores Walküre ist von düsteren Vorahnungen auf das Ende der Götter überschattet. Zu Beginn sehen wir Hundings Behausung mit einer bereits abgestorbenen Weltesche, in der das Schwert Nothung stakt und gleichzeitig als Kleiderhaken dient. Darüber hängt der Schädel eines Widders, Sinnbild für Fricka, die diese unglückliche Ehe von Hunding und einer von Schächern für ihn geraubten Frau beschirmt. Der Raum ist zunächst noch hoch und auf seinem Dach mit leuchtenden Gittern aus Stacheldraht sehen wir wieder die mystischen Figuren teils als Widder, teils als Wölfe und Raben verkleidet. Lichtgittern und Stacheldraht Langsam, wie von Zauberhand senkt sich der Plafond und wird zu einem bedrückenden Kellerraum mit der obligaten gewundenen Treppe nach oben. Bei Siegmunds „Winterstürmen“ öffnet sich die hintere Wand der Bühne, draußen herrscht aber auch keine Frühlingsstimmung oder gar der Lenz, vielmehr eine dunkelblaue, unwirtliche Kälte. Nachdem nun Siegmund den Namen von Hundings Gattin erhalten hat, gibt sich die bis dahin namenlose einsame Frau, im Wissen, dass der Fremde ihr verlorener Zwillingsbruder ist, gleich den zu „Siegmund“ passenden Namen, nämlich Sieglinde.
Dunkel und düster bleibt auch der zweite Akt, der Familiensitz von Herrn und Frau Wotan, die auf einen Streit zwischen Richard und Cosima Wagner in einer brüchig gewordenen Villa Wahnfried hineindeutet. Von der einstigen opulenten Eingangshalle bleiben nur mehr zwei eingestürzte Seitenwände, in der Mitte ist ein Kamin zu sehen und ein Pianino. Fricka tritt mit einem von Tänzerinnen gebildeten Widdergespann auf, um Wotan zu zwingen, seinen Sohn Siegmund im Kampf gegen den betrogenen und entehrten Hunding im Kampf fallen zu lassen und dem Schwert Nothung die Kraft zu nehmen. Es schaudert sie ob des Ehebruches einerseits und der inzestuösen Beziehung des Zwillingspaares andererseits. Danach erfolgt die lange Wotans Erzählung, in der Wotan seine Lieblingstochter Brünnhilde auffordert, Siegmund im Kampf gegen Hunding nicht mehr beizustehen. Obwohl Brünnhilde das gemeinsame Kind von Erda und Wotan ist, lassen die folgenden Zeilen die antike Idee der Kopfgeburt von Athene aus dem Schädel ihres Vaters Zeus vermuten: Brünnhilde: „Zu Wotan’s Willen sprichst du, sagst du mir was du willst: wer – bin ich, wär‘ ich dein Wille nicht?“ und Wotan antwortet: „… mit mir nur rat‘ ich, red‘ ich zu dir.“ Diese Analogie zum griechischen Mythos wurde von Richard Wagner sicherlich bewusst gewählt. Brünnhilde ist eben anders als die übrigen Walküren und kann womöglich gar als geistiges Produkt von Erda und Wotan angesehen werden? Nach der ergreifenden Todesverkündung erschießt Hunding im finalen Kampf Siegmund, der noch von seinem Vater betrauert wird, ehe dieser der geflohenen Brünnhilde und der paralysierten Sieglinde nacheilt. Der dritte Akt zeigt uns dann ein eingestürztes Kolosseum mit einer dreistöckigen geneigten Wand, welche an das neoklassizistisches Colosseo quadrato, den Palazzo della Civiltà Italiana mit seinen markanten Rundbogenarkaden in Rom, erinnert.
In der Mitte befindet sich noch eine kleine Bühne. Zahlreiche weiße Stiefel füllen den Vordergrund der Bühne und verweisen auf die gefallenen Helden. Die Walküren erscheinen in Kampfanzügen ein Gewehr in den Händen haltend. Begleitet werden sie von Tänzern im Pferdeschritt mit weißer Kleidung und mit Helm. Wotan tritt mit einem langen blauen Mantel auf und wiegt Brünnhilde, nachdem er ihre Gottheit weggeküsst hat, in einen komatösen Schlaf, aus dem sie nur derjenige aufwecken kann, der das Fürchten nicht gelernt hat. Auch Grane ihr Ross erstarrt schlafend. Dann umgibt er sie mit einem eher leicht zu durchdringenden Feuer, das eine als Loge gekleidete Figur diensteifrig entfacht Ulf Schirmer setzte gemeinsam mit dem Gewandhaus Orchester zunächst auf eher verhaltene langsame Tempi. Die dunklen Streicher und die Hörner und Tuben unterstrichen die düstere Atmosphäre im Hause Hunding. Der zweite und dritte Akt steigerte sich dann im Tempo, wodurch leider auch einige hörbare Schwächen bei den Blechbläsern manifest wurden. Wotans geflüsterter Abschied von Brünnhilde wirkte besonders berührend, der Feuerzauber optisch leider weniger. Der deutsche Bass-Bariton Thomas Johannes Mayer bot einen Göttervater Wotan mit allzu menschlichen Regungen, frustriert von seiner Gattin Fricka und zorngeladenen, weil er in seinem Machtstreben nach Weltherrschaft gescheitert ist, ausgestattet mit stupenden Gesangsqualitäten. Die Britin Allison Oakes war eine wunderbare Brünnhilde mit kräftiger Mittellage und sicherer Höhe bei den Hojotoho!-Rufen. Kathrin Göring war wieder eine resolute ehrerpichte Fricka, die ihrem Halodri von Göttergatten ständig nachjagen muss wie Hera einst ihrem Zeus mit markantem gebieterischen Mezzo. Die in Malmö geborene Schwedin Elisabet Strid war eine starke Sieglinde, die mit guter Technik und einer exzellenten Bruststimme auch in der Höhe keine Abnutzungserscheinen erkennen ließ. Bei dem in Kansas geborenen US-amerikanischen Tenor Robert Dean Smith als Siegmund waren zunächst einmal seine lang andauernden Wälse-Rufe beeindruckend. Gesanglich war der Rest nicht immer sauber gesungen, aber er harmonierte dennoch darstellerisch mit der knapp 20 Jahre jüngeren Partnerin. Tobias Kehrer als Hunding verfügte über einen gewaltigen Bass, mit dem er bei seinem Auftritt im ersten Akt gesanglich den Ton angab. Die acht Walküren Inex Lex/Gerhilde, Magdalena Hinterdobler/Ortlinde, Maren Engelhardt/ Waltraute, Sandra Janke/Schwertleite, Jessey-Joy Spronk/ Helmwige, Sandra Maxheimer/Siegrune, Marta Herman/Grimgerde und Christiane Döcker/Rossweisse sangen mit Begeisterung und spielten voller Power. In den stummen Rollen überzeugten Ziv Frenkel als Grane im Gladiatorenoutfit und das Loge-Double Sidnei Brandão. Die Bühnen- und Kostümbilder gestalteten wiederum Carl Friedrich Oberle und Nicola Reichert, Michael Röger die Lichtregie. Am Ende gab es ausgewogenen Applaus für alle Beteiligten, mit einigen Bravirufen für die Protagonisten. Man darf nicht vergessen, es waren auch viele US-Amerikaner unter den Zuschauern, die ihrem Robert Dean Smith wohl so manche Unsauberkeit im Gesang nachgesehen haben.
Harald Lacina, 10.7.
Fotos: Tom Schulze