Frankfurt, Konzert: „Moussas, Schostakowitsch, Beethoven“, hr-Sinfonieorchester unter Manfred Honeck

© HR/Felix Broede

Am 13. Oktober 2023 erfuhr die große Bühne der Frankfurter Alten Oper einen musikalischen Abend, der die Sinne der Zuhörer in himmlische Sphären entführte. Unter der beflügelnden Leitung des charismatischen Dirigenten Manfred Honeck und begleitet von dem virtuosen Cellisten Pablo Ferrández, offenbarte sich ein fesselndes Konzertprogramm, das sowohl zeitgenössische Kreationen als auch klassische Meisterwerke in sich vereinte. In diesem bezaubernden Konzertabend, der einem Orchesterfestspiel gleichkam, wurde die Essenz der Musik in ihrer ganzen Pracht zelebriert.

Gewöhnlich erweckt zeitgenössische Musik bei einem etablierten Publikum nur selten Begeisterung, und nicht selten sehnt sich der Hörer danach, diesen „Pflichtabschnitt“ rasch hinter sich zu lassen. Das erste Werk des Abends, kreiert von dem 1984 geborenen kanadischen Komponisten und Dirigenten Samy Moussas, erwies sich jedoch als eine Offenbarung und große positive Überraschung. Seine Komposition „Elysium“, erstmals in Deutschland vom hr-Sinfonieorchester aufgeführt, entführte das Publikum in eine klangliche Utopie. Dieses Orchesterstück, uraufgeführt 2021 vor der beeindruckenden Kulisse der Sagrada Familia in Barcelona durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Christian Thielemann, zeugte von Moussas meisterhaftem Umgang mit orchestralen Texturen und Farben. Das Werk verkörperte die Sehnsucht nach dem Paradies jenseits unserer Welt, wobei es gleichzeitig die Realität und die Mühen des irdischen Daseins einfing. Das Stück begann mit einem äußerst eindringlichen B-Dur Akkord und entfaltete sich anschließend in einem Ozean von intensiven Orchester-Glissandi, die wie Wellen klangen. Es folgten kräftige Blechbläser-Passagen, die den Einfluss von Anton Bruckner erahnen ließen. Exotische Schlagzeugeffekte und visionäre Klänge schufen ein weitreichendes Klangpanorama, das zuweilen Bilder aus Science-Fiction-Filmen aufsteigen ließ. Ein klanglicher Kosmos in unermüdlichen Weiten, der schließlich in einem langen B-Dur Akkord ausklang. Ein fesselnder Auftakt für den Abend, der das Publikum in seinen Bann zog. Das hr-Sinfonieorchester präsentierte sich treffsicher und facettenreich in seiner Darbietung. Dabei wurde jede Nuance nicht einfach vorgespielt, sondern mit Bedacht gestaltet. Das Publikum lauschte gebannt den faszinierenden Klängen und honorierte die Künstler und den Komponisten mit begeistertem Applaus.

Das erste Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch, ein Werk, das 1959 für den herausragenden Cellisten Mstislaw Rostropowitsch entstanden ist, bot dem Publikum eine tiefgreifende musikalische Erfahrung. Die vier Sätze des Konzerts präsentierten eine breite Palette von Rhythmen und emotionaler Ausdruckskraft. Pablo Ferrández, der Solist des Abends, beeindruckte durch seine leidenschaftliche Interpretation und meisterhafte Beherrschung des Cellos. Hörbar vertiefte er sich in das anspruchsvolle Werk und führte intensive Dialoge mit seinem kostbaren Instrument. Besonders im elegischen zweiten Satz und in der ausdrucksstarken Solo-Kadenz des dritten Satzes fand er eine tiefgehende Verbindung zu seiner Musik. Es war ein einzigartiges Erlebnis zu sehen, wie tief und resonant der Klang seines Instruments, selbst in den leisesten Momenten, gestaltet wurde. Mit sensibler Variation des Vibratos und gezielten Spannungspausen verlieh er der Kadenz eine besondere Wirkung. Das hr-Sinfonieorchester unter Manfred Honecks Leitung brillierte mit aufmerksamem Spiel und subtilen Klangnuancen. Der Dirigent arbeitete die Kontraste präzise heraus und gestaltete die Groteske mit großem Einfühlungsvermögen. Das Orchester überzeugte sowohl in den kraftvollen Tutti-Passagen als auch in den zarten Soloeinsätzen, beispielsweise der Horn- und Holzbläser. Die Leistung wurde vom Publikum mit zahlreichen Bravo-Rufen gefeiert und fand in einer kantablen Zugabe durch Pablo Ferrández ihren krönenden Abschluss.

© HR/Igor Studio

Nach dieser ergreifenden Aufführung entführte Manfred Honeck das Publikum in die Welt von Beethovens siebter Sinfonie. Dieses lebendige und strahlende Werk wurde von Richard Wagner treffend als die „Apotheose des Tanzes“ beschrieben. Honeck demonstrierte erneut sein tiefes Verständnis für die rhythmischen Feinheiten dieses Werks und dirigierte das hr-Sinfonieorchester in einer überaus brillanten Darbietung. Die Musik sprühte vor Vitalität und zeugte von der Präzision und grenzenlosen Energie, die Honeck in jedes Detail einfließen ließ. Besonders bemerkenswert war Honecks Betonung der tänzerischen Elemente in der Sinfonie, wodurch die Akzente und Dynamik harmonisch entwickelt wurden. Der zweite Satz entfaltete sich nicht als Trauermarsch, sondern als inniges Gebet, das die Zuhörer tief berührte. Dabei führte er die Streichergruppe mit einem sanften Legato. Das Scherzo war mitreißend und sprühte vor Lebensfreude, während das abschließende Allegro con brio mit überschäumender, geradezu aus den Nähten platzender Energie die Zuhörer begeisterte. Die Akzente wurden scharf und markant gesetzt, wodurch das Finale eine unwiderstehliche tänzerische Kraft entfaltete. Faszinierend, mit welcher Verve hier vor allem immer wieder die Trompeten ihre Einwürfe schmetterten. Das hr-Sinfonieorchester ließ sich von Manfred Honeck zu Höchstleistungen anspornen. Das Orchester spielte mit Feuereifer und präsentierte einen Vortrag, der höchsten Ansprüchen genügte. Streicher und Bläser agierten im Einklang mit klarem Rhythmus, unterstützt von einer selbstbewusst intonierenden Pauke. Hörner und Trompeten begeisterten durch ihre souveräne Intonation und strahlenden Klang. Das Resultat war ein pulsierender musikalischer Rausch, der das Publikum in eine berechtigte, grenzenlose Euphorie versetzte, wie sie selten bei Konzerten des hr-Sinfonieorchesters zu erleben ist.

Langanhaltender Beifall und endlose Bravo-Rufe waren der verdiente Lohn für dieses musikalische Fest, das das Publikum von Anfang bis Ende gefesselt hatte. Manfred Honeck, Pablo Ferrández und das hr-Sinfonieorchester lieferten ein unvergessliches Konzert, welches das Paradies der Musik in seiner ganzen Pracht zum Leben erweckte. Ein Ausnahme-Abend für alle Liebhaber klassischer Musik – ein Orchesterfestspiel von höchster Qualität!

Wie schön, dass dieses besondere Ereignis im Internet übertragen wurde und unter dem nachfolgenden Link aufgerufen werden kann: https://www.youtube.com/watch?v=dzmbgprBipE&pp=ygUJaHIgaG9uZWNr

Dirk Schauß, 14. Oktober 2023


Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 13. Oktober 2023

Samy Moussas
lysium

Dmitri Schostakowitsch
Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur, Op. 107

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 7 A-Dur, Op. 92

Pablo Ferrández, Violoncello
hr-Sinfonieorchester
Manfred Honeck, Leitung