Berlin: „Ek/Ekman“

Ek/Ekman ist der neue Abend des Staatsballetts betitelt. Er präsentiert zwei Arbeiten bekannter schwedischer Choreografen, beginnend mit A Sort of… von Mats Ek, uraufgeführt 1997 vom Nederlands Dans Theater in Den Haag. Die radikale Neufassung der Giselle durch den Choreografen 1982 sorgt anhaltend für kontroverse Diskussionen. So wird noch heute jede Aufführung seiner Werke mit Spannung erwartet und auch bei dieser Premiere am 16. Februar 2023 war das Publikumsecho enorm. Der Abend in seiner Ästhetik dürfte besonders junge Zuschauer ansprechen, ich als Angehöriger einer älteren Generation hatte mit ihm Probleme.

Die musikalische Folie bilden zwei Kompositionen von Henryk M. Górecki, die vom Tonträger eingespielt werden. Die Ausstattung besorgte Maria Geber. Vor allem ihre bunten Kostüme – Mäntel, Kleider, Hosen, Hüte – brachten optische Farbtupfer ein. Die sparsam gestaltete Bühne bestimmt zu Beginn eine hohe gelbe Wand mit einer schmalen Öffnung. Hier agieren zunächst Vivian Koohnavard im braunen Anzug und Arshak Ghalumyan im violetten Mantel, der seine Partnerin aus der ersten Parkettreihe auf die Bühne geholt hat. Beide begeben sich auf eine Reise, wobei sie – nach neckischen Spielereien mit einem ihrer schwarzen Schuhe – sogar in einem Koffer von ihm abtransportiert wird. Am Ende kehren sie zurück, nun verändert, denn die Bekleidung ist vertauscht. Nicht zu übersehen sind ihre panischen Zustände, wenn sie dem Koffer entsteigt.

(c) Yan Revazov

Vorher gab es Szenen im Zentrum der Bühne, wenn sich die gelbe Wand hebt und den Blick frei gibt auf eine halbhohe grüne Mauer. Der Bezug zu Berlin ist eher zufällig, obwohl sie sich später öffnet und in quadratische Tafeln zerteilt. Zunächst sah man auf ihr abwechselnd bunte Luftballons, die unter viel Lärm zerplatzen, und die Köpfe der Tänzer. Diese haben einen Mix aus groteskem und hektischem Bewegungsvokabular zu absolvieren. Der kraftvolle und energische Einsatz der Compagnie sowie des zweiten Paares mit Clotilde Tran und Johnny McMillan ist hervorzuheben, ebenso die Präzision des Ensembles.

Das Nederlands Dans Theater uraufführte auch das zweite Stück des Programms, Cacti von Alexander Ekman (2010 in Den Haag). Der Schwede widmet sich seit Beendigung seiner Tänzerkarriere der Choreografie und ist seit seinem Stück LIB 2019 auch beim Staatsballett kein Unbekannter. Bei Cacti werden vom Streichquartett des Orchesters der Deutschen Oper Berlin Kompositionen von Haydn, Beethoven und Schubert live musiziert, allerdings akustisch verstärkt und bearbeitet. Garniert wird die Musik durch Geräusche der Tänzer – Stöhnen, Schreien, Keuschen. Ekman verantwortete auch die Ausstattung und das Lichtdesign. Auf einzelnen Quadraten, oft durch Spots herausgeleuchtet, vollführen die Tänzer in hautfarbenen Trikots und kurzen schwarzen Hose asiatisch inspirierte, kriegerische Posen. Vieles erinnert an Kampfsport, gelegentlich hatte ich Assoziationen  an das Kneten von Teig und das Formen von Figuren im Sandkasten. Störend sind eingespielte gesprochene Texte in englischer Sprache, gipfelnd in einem Dialog zwischen dem Tänzerpaar Danielle Muir und Johnny McMillan. Beide kommentieren den tänzerischen Ablauf ihres Duos einschließlich gefährdeter Körperstellen, was so banal ist wie überflüssig und vom Herunterstürzen einer toten Katze noch getoppt wird. Mir hat sich auch der Sinn des Schlusses nicht erschlossen, wenn die Tänzer nach den „Dialogen“ mit ihren Tafeln sich nun weißen Kartons zuwenden, auf denen Kakteen platziert sind. Das Publikum freilich feierte alle Interpreten euphorisch und anhaltend.

Bernd Hoppe, 22. Februar 2023


Ek/Ekman
Choreographie: Mats Ek/Alexander Ekman

19. Februar 2023
Premiere 16. Februar 2023

Staatsballett Berlin
Deutsche Oper Berlin
Streichquartett des Orchesters der Deutschen Oper Berlin