Premiere: 2. Oktober 2021, besuchte Vorstellung: 13. November 2021
Mit einer Spieldauer von über drei Stunden ist Mozarts „La Finta Giardiniera“ nicht die ideale Oper für den Corona-Spielplan. Jedoch kommt dieses Stück ohne Chor aus und es werden nur ein kleines Ensemble sowie ein Kammerorchester benötigt. Es gibt also doch gute Gründe, Mozarts Jugendoper für die Saisoneröffnung am Essener Aalto-Theater auszuwählen. Aufgrund der Premierenflut an Rhein und Ruhr war es dem Opernfreund erst jetzt möglich eine Vorstellung zu besuchen.
Das Bühnenbild von Frank Phillip Schlößmann hinterlässt einen stärkeren Eindruck als die Regie von Ondrej Havelka: Wenn der Vorhang aufgeht sieht man ein perspektivisches Gartenbild mit gemalten Säulen. Hier haben wir es aber nicht mit einer Einheitsbühne zu tun, sondern die Drehbühne kommt zum Einsatz: Auf der linken Seite befindet sich das Zimmer der titelgebenden Gärtnerin, bei der es sich eigentlich um die Marchese Violante Onesti handelt. Auf der rechten Seite sehen wir einen Empfangssaal im Schloss des in Sandrina verliebten Podestas, das mit vielen Landschaftsbildern ausgestattet ist. Und auf der Rückseite befindet sich noch eine gemalte Parklandschaft mit Pavillon und Bach.
Schlößmann hat hier eine sehr schöne Arbeit in zarten Farben abgeliefert, in der man auch problemlos “Figaros“ Hochzeit spielen könnte. Das optische Vergnügen wird noch durch die historischen Kostüme von Jana Zborilova gesteigert. Leider enthüllt die Regie schon innerhalb der ersten 35 Minuten alle Geheimnisse und Räume des Bühnenbildes, sodass in den verbleibenden zweieinhalb Stunden weitere Überraschungen ausbleiben. Der tschechische Regisseur Ondrej Havelka, der sich auch Schauspieler und Bandleader einen Namen gemacht hat, entwickelt das Stück aus dem Geist der Musik und inszeniert die Rezitative pointiert. In den Arien geht er verschiedene Wege, mal interagieren die Sänger, mal stehen sie nur an der Rampe. In den 90 Minuten nach der Pause lässt aber manchmal die Spannung zwischen den Sängern nach.
Auf der Bühne ist ein gutes und wohlklingendes Sänger-Ensemble zu erleben, wobei man sich aber fragen muss, warum ein Haus wie das Aalto-Theater für solch ein Stück drei Gäste engagiert? Mit jungendfrischer Stimme singt Giulia Montanari die Sandrina. Gleich zwei Tenöre werben um die Hand dieser Figur: Den Conte Belfiore legt Dmitry Ivanchey anfangs als geckenhafte Karikatur an, den er mit Charaktertenor singt. Erst nach der Pause zeigt der Sänger, der über eine füllige und farbenreiche Stimme verfügt, die lyrischen und positiven Seiten der Rolle. Kenneth Tarver verkörpert den Podesta mit elegantem und gut geführtem Tenor. Sopranistin Sophia Brommer gibt der eifersüchtigen Arminda das nötige dramatische Feuer mit. Die Hosenrolle des Ramiro singt Alexandra Kadurina mit vollem Mezzo, bei dem sich aber gelegentlich Schärfen einschleichen. Eine unbekümmerte und gewitzte Serpetta ist Christina Clark. Tobias Greenhalgh überzeugt als Nardo mit wohlgerundetem Bariton.
Am Pult der Essener Philharmoniker sorgt GMD Tomas Netopl für einen frischen und leichten Orchesterklang. Die Dynamik ist fein abgestuft und zudem dirigiert Netopil sehr sängerfreundlich. Insgesamt beschert diese Produktion dem Publikum ein unbeschwertes Mozart-Vergnügen.
Rudolf Hermes, 14.11.2021