Aufführung am 31.7.17 (Premiere am 14.7.)
Mit dieser Produktion war das diesjährige Festival eröffnet worden, doch wurde die Oper des „roten Priesters“ nicht, wie es Festspielen anstünde, ungestrichen gezeigt. Kann man das Streichen vieler Rezitative noch hinnehmen, da sie mehrfach die Handlung kaum weitertreiben und auch mythologische Anspielungen enthalten, mit denen der heutige Hörer wenig anfangen kann, so werden zumindest zwei Arien des Titelhelden schmerzlich vermisst. (Ich weiß allerdings nicht, ob es sich eventuell um ein Entgegenkommen dem Publikum gegenüber handelte, ging die Spieldauer doch, mit zwei Pausen, trotz der Striche von 21 bis 0.45 Uhr).
Das Libretto des Juristen Grazio Braccioli basiert wie so viele aus der Barockzeit auf Ludovico Ariostos gleichnamigen Versepos und vermischt ohne große Bedenken verschiedene Episoden, sodass es zwei Haupthandlungsstränge gibt, nämlich den um Orlando, der über Angelicas Zurückweisung den Verstand verliert und um die u.a. aus Händels Oper bekannten Figuren Alcina-Bradamante-Ruggiero. Vivaldi, der erst in den letzten Jahren als Opernkomponist wiederentdeckt wird, schrieb dazu eine stellenweise sehr poetische Musik, die aber über lange Strecken auch rein handwerkliche Passagen beinhaltet.
Für dieses Repertoire bräuchte es bedeutende Stimmakrobaten, wie sie einem Festival dieser Größenordnung nur selten zur Verfügung stehen. Einen bekannten und zurecht vielgerühmten Namen brachte Sonia Prina in der Titelrolle ein. Ihre Technik ist und bleibt bewundernswert, aber ihr Alt hat viel an Substanz verloren und klang oft trocken und eher hohl.
Ihre Gesamtleistung und Bühnenpersönlichkeit blieben davon unangetastet. Als Alcina war der Mezzo Lucia Cirillo zu hören, deren Stimme zunächst ein wenig belegt klang, um sich dann freizusingen, womit der Künstlerin ein überzeugendes Rollenporträt der intriganten Zauberin gelang. Stimmlich eher blass blieb die Angelica von Michela Antenucci, während die Bradamante der Altistin Loriana Castellano durch temperamentvolles Spiel und Stilsicherheit auffiel. Leider können weder Konstantin Derri (Medoro), noch Luigi Schifano (Ruggiero) mit ihren kraftlosen Stimmen (beide Altus) zu den Positiva des Abends gezählt werden. Als Astolfo, einem weiteren Verehrer Alcinas, war der Bass von Riccardo Novaro zwischen all den hohen Stimmen eine willkommene Abwechslung. Der Barockspezialist Diego Fasolis erzielte mit seinem Ensemble I Barocchisti einen weichen, flexiblen Klang, von dem man sich zeitweise größere Dramatik gewünscht hätte.
Die Inszenierung folgte optisch dem Slogan des Barock,dass das Theater „staunen machen müsse“ und zeigte ein phantasievolles Bühnenbild (Massimo Checchetto), das vor allem mit Alcinas Heimstatt beeindruckte, einer an die „Venus“ von Botticelli gemahnenden Muschel. Von besonders reicher Phantasie waren die prunkvollen Kostüme von Giuseppe Palella. Vor diesem Augenschmaus tat der Regisseur Fabio Ceresa sein Bestes, um die nicht immer lineare Handlung klar zu erzählen. Unterstützt wurde er dabei von den unermüdlichen Mimen der Fattoria Vittadini, die seit einigen Jahren beim Festival vertreten sind.
Trotz der späten Stunde gab es viel Zuspruch für die zumindest optisch hochinteressante Produktion.
Am 30.7. nachmittags konnte man sich im Chiostro San Domenico nachmittags bei einem Konzert mit dem Titel Di Orlando in Orlando auf Ariosts Helden einstimmen, denn es waren Arien aus Händels „Orlando“, Haydns „Orlando paladino“, Vivaldis „Orlando finto pazzo“ und schließlich aus seinem „Orlando furioso“ zu hören, dargebracht von Michela Antenucci (Sopran), Raffaele Feo und Yasushi Watanabe (Tenor), Antonia Fino (Alt) und Laurence Meikle (Bass). Feo, Watanabe und Fino studieren noch an der Accademia, Meikle überzeugte neuerlich mit einer schönen Leistung.
Eva Pleus 12.8.17
Bilder: Festival della Valle d’Itria 2017