Genf: „Lady Macbeth von Mzensk“, Dmitri Schostakowitsch

Operndirektor Aviel Cahn hat seine erfolgreiche Produktion des Jahres 2014, als er noch Leiter der Flämischen Oper in Antwerpen war, nach Genf gebracht. Eine gelungene Wiederaufnahme mit den gleichen Hauptdarstellern Aušrinė Stundytė als Katerina und Ladislav Elgr als Sergei. Zu sehen ist eine gewagte Regiearbeit von Calixto Bieito mit dem Bühnenbild von Rebecca Ringst und den Kostümen von Ingo Kügler.

(c) Dougados Magali

Der Regisseur Calixto Beito ist bekannt dafür die Brutalität, die Machtgier, Gewalt und sexuelle Triebhaftigkeit auf der Bühne ungeschminkt zu zeigen. Er visualisiert alles, was die Geschichte zu bieten hat. Das Bühnenbild ist etwas schwierig zu definieren. Es handelt sich wohl um eine stillgelegte Fabrik bei dem Arbeiter damit beschäftigt sind Aufräumarbeiten zu tätigen, sie waten im Schlamm und tragen verschmutzte Desinfektionsanzüge. Inmitten diesem Industriebühnenbild befindet sich die in weiß gehaltene Wohnung des Kaufmanns Boris, seines Sohnes Sinowi und dessen Ehefrau Katerina. Sie langweilt sich in dieser Wohnung zu Tode. Sie steht unter dem Joch eines schrecklichen Stiefvaters, der aussieht, wie ein Cowboy aus Dallas der sie tyrannisiert.

Im dritten Akt, als die Polizei Katarina und Sergej bei ihrer Hochzeitsfeier verhaftet, wird die Kulisse von den Arbeitern besetzt. Sie nehmen die Wohnung auseinander, sie bauen die Wände und Schränke ab, nehmen das ganze Mobiliar mit und lassen nur noch das Skelett der Struktur übrig. Es bleiben nur noch die zerfallenen Strukturen der Fabrik zurück das auch das sibirische Gefängnis sein könnte. Eine beeindruckende Wandlung des Bühnenbildes.

Ausrine Stundyte hat sich bei der vorhergehenden Vorstellung das Bein verletzt. Trotz ihres eingeschienten Beins und der Krücke hat sie sich entschieden die weiteren Aufführungen persönlich zu bewerkstelligen. Sie hat eine beachtliche Leistung erbracht, wenn man denkt, wie viel Engagement diese Produktion abverlangt. Einige Abläufe wurden in Absprache mit dem Regisseur angepasst, denn nicht ganz alle Szenen konnten mit ihrem Handicap wie gewohnt umgesetzt werden. Szenisch und gesanglich hat sie alles gegeben, sie ist wahrlich eine großartige Schauspielerin und Sängerin. Sie verfügt über eine wunderbare metallische und samtige Stimme die hervorragend zur Rolle der Katerina Ismailova passt. Am Ende der Aufführung wurde sie frenetisch gefeiert, kein Wunder bei dem uneingeschränkten Einsatz, den sie gegeben hat.

(c) Dougados Magali

Ihr gegenüber steht der Bass Dimitry Ulyanov, der einen furchterregenden Schwiegervater darstellt, der gleichzeitig brutal, kuschelig und vulgär ist. Der Tenor Ladislav Elgr, der Sergej verkörpert, ist darstellerisch sehr überzeugend, stimmlich aber wirkt er fahl und etwas erloschen. John Daszak der zweite Tenor im Bunde überzeugt hingegen mit seiner geraden und direkten Stimme und spielt den dummen und faden Ehemann plausibel. Der dritte Tenor Michael Lorenz spielt einen sehr überzeugenden schäbigen Balourd. Eine recht ausgewogene Besetzung. Alexander Roslavets der den alten Sträfling im letzten Akt singt darf eine der schönsten Arien der Partitur besingen. Das Ensemble wird ebenfalls hervorragend ergänzt von Julieth Lozano als Aksinia, Kai Rüütel als Sonyetka und Alexey Shishlyaev als Polizeikommissar.

Die musikalische Leitung unterliegt dem Dirigenten Alejo Pérez, dem Musikdirektor der flämischen Oper. Er leitet das Orchestre de la Suisse Romande und den Chor des Grand Théâtre de Genève, hervorragend vorbereitet vom Chorleiter Alan Woodbridge, mit ausdruckstarker Gestaltung und bringt alle diese Facetten der Partitur wirkungsvoll zum Klingen. Die grandiose Musik Schostakowitschs wird so zu einem großartigen gegenüber zur extremen Inszenierung Bieitos.

Marcel Burkhardt, 10. Mai 2023

Besonderer Dank man unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)


Lady Macbeth von Mzensk

Dmitri Schostakowitsch

Opéra de Genève.

7. Mai 2023

Regie: Calixto Bieito

Dirigent: Alejo Pérez

Orchestre de la Suisse Romande