Vorstellung am 30.10. 2019
Geradezu berührend altmodisch
kommt die Choreographie von Helgi Tomasson daher, welche er in der Ausstattung von Jens-Jacob Worsaae 1994 für das San Francisco Ballet geschaffen hatte und mit der das San Francisco Ballet nun für vier Vorstellungen in Kopenhagen vor restlos ausverkauftem Haus gastierte. Thomas R. Skelton tauchte das Bühnenbild in warmes Licht, ein wunderbarer Tag (wenn er denn nicht so tragisch enden würde) im Verona der Renaissance wird hier evoziert, einen Eindruck, welche auch die ganz klassischen, weich fliessenden und an die Epoche des Dramas angelehnten Kostüme unterstrichen. Man erlebt das bunte, verspielte Treiben auf dem Marktplatz, Flirten und Hofieren, virtuose Akrobaten (ganz stark getanzt von Julia Rowe, Max Cauthoren und Lucas Erni), stupende Fechtszenen und viel Pantomime.
Daneben wird aber auch eindringlich getanzt, zum Beispiel von den beiden „leichten“ Mädchen (Isabella DeVivo und Elizabeth Powell) und ihren Verehrern Estéban Cuadrado, Steven Morse, Henry Sidford und wieder Lucas Erni, ein äusserst vielseitiger, wunderbar agiler Tänzer. Alle grösseren Partien waren ganz hervorragend und charakterlich stimmig besetzt. Hervorzuheben sind der kraftvolle Tybalt von Luke Ingham, die in in verliebte Gräfin Capulet von Jennifer Stahl mit einem eindrücklichen Porträt dieser komplexen Figur. Sehr gut auch Val Caniparoli als Pater Lorenzo und auch als Prinz von Verona. Wunderbar witzig und leider tragisch endend der Mercutio von Estéban Hernandez, toll auch im Zusammenspiel mit dem Benvolio Hansuke Yamamoto. Benjamin Freemantle war ein zurückhaltend vornehm-kalter Graf Paris und Anita Paciotti wusste als umtriebige Amme zu gefallen.
Das Hauptaugenmerk allerdings richtete sich auf das Liebespaar – und dieses war geradezu ideal besetzt mit Mathilde Froustey als mädchenhaft unbeschwerte Julia, die dann umso brutaler in die Wirklichkeit der Familienfehde zwischen ihrer Sippe und den Montagues geworfen wurde. Perfekter Spitzentanz, luftig, weich fliessend und eine bestechend saubere Armhaltung zeichnete ihren einfühlsamen Tanz aus. Jugendlich stürmisch und mit schönen, weitgreifenden Sprüngen, perfekten Drehungen und Hebungen wartete Joseph Walsh als Romeo auf, die beiden waren ein wunderbares Paar, dem man so gerne eine gemeinsame Zukunft gegönnt hätte.
Prokofjews magische Partitur war bei Martin West und Det Kongelige Kapel bestens aufgehoben und zusammen mit dem mit bestechender Präzision tanzenden San Francisco Ballet wurde die Aufführung zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk – und befriedigte die manchmal das Publikum allerorten beschleichende Sehnsucht nach dem Althergebrachten ….
Kaspar Sannemann 3.11.2019
(c) Erik Tomasson