Staatenhaus Saal 3, 23. Februar 2019
Rainer Mühlbach, Leiter des „Internationalen Opernstudios der Oper Köln“, hatte die undankbare Aufgabe, den Besuchern im fast bis auf den letzten Platz gefüllten Saal 3 des Staatenhauses die Nachricht zu überbringen, dass 4 der 8 Studiomitglieder an einem Virus erkrankt waren und damit auch den Workshop mit José van Dam verpasst hatten. Die erfreuliche Nachricht lautete aber, dass mit Matthias Hoffmann und Insik Choi zwei Mitglieder des vorangegangen Opernstudios für ihre erkrankten Kolleginnen und Kollegen eingesprungen waren. So ergab sich die reizvolle Konstellation eines Sängerwettstreits zwischen den augen-blicklichen Stipendiaten und zwei Ensemblemitgliedern der Kölner Oper, die noch bis vor kurzem selbst Mitglieder des „Internationalen Opernstudios“ gewesen waren. Bei diesem Sängerwettstreit gab es nur Sieger, wie man dem großen Applaus der Besucher und der zufriedenen Miene José van Dams entnehmen konnte.
Der frühere Ausnahme-Bassbariton und Karajan-Liebling José van Dam, der an allen großen Opernhäusern der Welt Triumphe gefeiert hat, erwies sich nicht nur als einfühlsamer und motivierender Gesangspädagoge, der den jungen Sängerinnen und Sängern mit sparsamen Hinweisen und Gesten zur Seite stand, sondern auch als humorvoller Erzähler. So berichtete er über das launige Statement Otto Klemperers, der einen Sänger auf dessen Frage nach seiner Performance mit der hinterlistigen Antwort beschied: „Sie haben wunderbar gesungen, nur leider hat das Orchester immer eine halbe Note zu hoch gespielt.“
Von derartigen Misstönen war im Staatenhaus nichts zu hören, ganz im Gegenteil! Der russische Tenor Anton Kuzenok sang die Arie des Tamino aus Mozarts Zauberflöte wirklich „bezaubernd schön“ und berührte in Rezitativ und Arie des Nadir „Je crois entendre encore“ aus Bizets Oper „Perlenfischer“ mit makelloser Legato-Kultur. Der erst 24jährige türkische Bass Yunus Shahinger schien durch den Unterricht mit Maestro van Dam besonders profitiert zu haben. Sarastros Arie „In diesen heiligen Hallen“, vor allem aber Shahingers Interpretation der Arie des Fiesco „Il lacerato spirito“ zeigten, welch großes Potential in dieser tiefschwarzen Bassstimme steckt. Matthias Hoffmann machte die Registerarie des Leporello aus Mozarts „Don Giovanni“ zu einem schauspielerischen und musikalischen Kabinettstückchen. Einfach wunderbar, wie er den umtriebigen Diener Don Giovannis, der mit Donna Elvira ein böses Spiel treibt, mit Leben erfüllt. Insik Choi, ebenfalls schon seit einer Spielzeit hoch geschätztes Ensemblemitglied der Kölner Oper, glänzte mit geradezu raumsprengender Baritongewalt in der Arie des Ford „È sogno? O realtà?“ aus Verdis Oper Falstaff. Hier wächst ein ganz großer Charakterbariton heran und man kann nur hoffen, dass er der Kölner Oper noch lange erhalten bleibt.
Die Damen bei dieser stimmungsvollen Matinee standen den Herren in nichts nach. Die isländische Mezzosopranistin Arnheidur Eiríksdóttir sang die halsbrecherischen Koloraturen in der Arie der Isabella „Cruda sorte“ aus Rossinis Oper „L’italiana in Algeri“ mit traumwandlerischer Sicherheit und fand auch für Schuberts Kunstlied „Heimliches Lieben“ mit ihrem bronzenen Mezzo den richtigen Ausdruck. Die Koreanerin Veronika Lee brillierte schließlich in Rezitativ und Arie der Violetta „È strano! ….Sempre libera“ mit einer in allen Lagen herrlich strömenden, weichen Sopranstimme, die sich mühelos auch in die höchsten Sphären aufschwingt. Da entsteht beim Hören Gänsehaut pur. Eine wirklich wunderbare Leistung.
Rainer Mühlbach begleitete und führte die jungen Sängerinnen und Sänger am Flügel und moderierte mit Humor und Sachverstand die musikalischen Darbietungen. Zu jeder Sekunde wurde deutlich, wie viel die Sängerinnen und Sänger des ehemaligen und jetzigen Opernstudios ihrem musikalischen Spiritus Rector verdanken!
Das Publikum dankte allen Beteiligten mit lang anhaltendem Beifall. Viele Besucher nutzten auch die Gelegenheit, ein Autogramm von José van Dam zu ergattern, von einem Sänger, der vor vielen Jahren in einer konzertanten Aufführung der „Meistersinger“ mit James Conlon die Kölner Opernliebhaber als Hans Sachs zu Begeisterungsstürmen hingerissen hatte. Um so schöner, dass viele von damals nun José van Dam als großen Gesangspädagogen in Köln wiedererleben konnten.
Norbert Pabelick 1.3.2019