Köln: Tops und Flops – „Bilanz der Saison 2024/25“

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Kritiker wieder gebeten, eine persönliche Bilanz zur zurückliegenden Saison zu ziehen. Wieder gilt: Ein „Opernhaus des Jahres“ können wir nicht küren. Unsere Kritiker kommen zwar viel herum. Aber den Anspruch, einen repräsentativen Überblick über die Musiktheater im deutschsprachigen Raum zu haben, wird keine Einzelperson erheben können. Die meisten unserer Kritiker haben regionale Schwerpunkte, innerhalb derer sie sich oft sämtliche Produktionen eines Opernhauses ansehen. Daher sind sie in der Lage, eine seriöse, aber natürlich höchst subjektive Saisonbilanz für eine Region oder ein bestimmtes Haus zu ziehen.

Nach dem Stadttheater Gießen blicken wir heute auf die Oper Köln.


Beste Produktion war Elektra als exzessive Racheorgie mit starken Bildern und starken Frauen in der Inszenierung von Roland Schwab mit Allison Oakes als Elektra, Lioba Braun als Klytämnestra und Alice Kessler als Chrysothemis.

Größte Enttäuschung war für mich, dass das Opernhaus am Offenbachplatz 2025 immer noch nicht wieder eröffnet wurde. Eigentlich war die Doppelpremiere, Die Schöpfung von Josef Haydn am 5. Oktober 2024 und Elektra von Richard Strauss am 6. Oktober 2024, dazu gedacht, das sanierte Opernhaus am Offenbachplatz ins rechte Licht zu rücken. Zu Beginn der vergangenen Spielzeit ging man von einer Übergabe am 24. März 2024 an die Intendanz aus. Man hätte am 5. Oktober mit der Stadtgesellschaft die Eröffnung des sanierten Riphan-Baus gefeiert. Der Sieg des Schöpfergotts über Chaos und Finsternis, von Haydn mit „Es werde Licht“, einem der überwältigendsten Momente der Oratorienliteratur ausgedrückt, sollte der Freude über den Sieg der Bautechnik über das Chaos der Dauerbaustelle Ausdruck verleihen. Leider kam es anders.

Beste Wiederaufnahme war Carmen in der gefeierten Inszenierung von Lydia Steier mit Adriana Bastidas-Gamboa als Carmen, Young Woo Kim als Don José und Insik Choi als Escamillo aus dem Ensemble besetzt, was zeigt, dass die Oper Köln eine gute Ensemblepflege betreibt. Eine gute Entscheidung, diese Carmen, die voll auf das Staatenhaus zugeschnitten war, noch einmal neu aufzulegen.

Beste Gesangsleistung zeigten bei den Damen die Gastsängerin Alison Oakes als Elektra und Ensemblemitglied Katrin Zukowski als Gabriel (Die Schöpfung) und als Donna Anna (Don Giovanni).
Bei den Herren ragte Gastsänger Sebastian Kohlhepp als Uriel (Die Schöpfung) aus den Ensembles heraus.

Nachwuchssänger des Jahres ist Christoph Seidl als Commendatore in Don Giovanni. Sein tiefer Bass offenbart in dieser Rolle das große Potential dieses Sängers. Seine großen Partien kommen noch: demnächst Sarastro in der Zauberflöte und Fasolt im Rheingold. Bereits 2021 sang der den Fafner im Rheingold unter Kent Nagano.

Bestes Dirigat: Marc Minkowski dirigierte Haydns Schöpfung absolut sensibel und stilsicher und trug die Sängerinnen und Sänger auf Händen Sein Dirigat, zusammen mit der Bebilderung von Melly Still, machten aus dem von Laienchören totgesungenen Oratorium einen spannenden Opernabend.

Beste Wiederentdeckung war die Operettenproduktion Eine Frau von Format mit der wundervollen Annette Dasch in der Titelpartie. Die Operette des jüdischen Komponisten Michael Krasznay-Krausz, die 1927 am Theater des Westens in Berlin einen sensationellen Erfolg feierte, wurde als wildes Show-Spektakel inszeniert. Regisseur Christian von Götz und Dirigent Adam Benzwi haben dieses Juwel mit neuen Dialogen aufgepeppt – vielleicht etwas zu viel des Guten – und brachten es mit Glamour, Verruchtheit und musikalischer Vielfalt auf die Bühne.

Beste Regie: Teresa Rotemberg inszenierte Piazzollas Tango Operita Maria de Buenos Aires als Hommage an die Frauen der Mega-Stadt Buenos Aires mit starken Bildern und Videos von Stefan Bischoff, unter anderem von der Fußball-WM 1978. Das siebenköpfige Tanzensemble trug sehr zum Genuss des Gesamtkunstwerks bei.

Bestes Bühnenbild: Don Giovannis Rastlosigkeit drückte Bühnenbildner Gregorio Zurla mit Hilfe der Drehbühne aus, die mit variablen Versatzstücken Räume, Türen und Durchgänge zeigte und rasche Szenenwechsel ermöglichte. Während die Kulisse sich drehte wurde gesungen und agiert. Don Giovanni ist immer in Bewegung, und er stellt sich tollkühn allen Herausforderungen.

Die beste Chorleistung erlebte ich bei Haydns Schöpfung. Chorleiter Rustam Samedov und Dirigent Marc Minkowski bewiesen in dieser Produktion, dass es sehr viel bringt, die Chöre der Schöpfung von Profis singen zu lassen.

Erfolgreichste Produktion war auch in der Spielzeit 2024/25 das Divertissementchen der Spielgemeinschaft Cäcilia Wolkenburg, die mit De kölsche Fledermaus in 30 ausverkauften Vorstellungen mit je 1.000 Plätzen die Erfolgsoperette von Johann Strauss und den kölschen Karneval auf die Schippe nahm. Man muss nicht gendern, denn die rund 100 Sänger und 13 Tänzer sind alle Mitglieder des traditionsreichen Kölner Männer-Gesangvereins, die Sprache ist Kölsch. Seit 1874, dem Jahr der Premiere der Fledermaus, gibt es diese Kultveranstaltung der Spielvereinigung „Cäcilia Wolkenburg“ mit Männern in Frauenrollen und Männerballett im Kölner Opernhaus. Es ist ein Format zwischen Musical, Kabarett und Revue, bei dem das überwiegend kostümierte Publikum begeistert mitsingt und klatscht.

Die Wiedereröffnung des 1957 eröffneten Riphan-Baus am Offenbachplatz, die eigentlich für den Beginn der Spielzeit 2015/16 vorgesehen war, ist aufgrund zahlreicher Komplikationen immer noch auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Intendanz plant die Spielzeit 2025/26 weiter zweigleisig mit Aufführungen in der Ersatzspielstätte im Staatenhaus im Rheinpark.
Mehr dazu: https://www.oper.koeln/de


Die Bilanz zog Ursula Hartlapp-Lindemeyer.