Besuchte Vorstellung: 31. Januar 2019
Regisseur Stefano Poda ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Lediglich einmal war er in Deutschland aktiv, als er 2014 die berüchtigte Wuppertaler Desaster-Ära von Toshiyuki Kamioka, der das Theater an den Rand des Kollapses führte, mit Puccinis „Tosca“ eröffnete.
Seine Inszenierung von Gounods „Faust“, die zurzeit im belgischen Liege gespielt wird, hat schon einen weiten Weg hinter sich. Die Inszenierung kam 2015 in Turin heraus, war dann 2016 in Lausanne zu sehen und ein Jahr später in Tel Aviv.
Zentrales Bühnenelement der Inszenierung, die Stefano Poda selbst ausgestattet und beleuchtet hat, ist ein riesiger Steinring, der optisch beeindruckt und an das Bühnenbild des Mindener „Ring des Nibelungen“ erinnert. Der dortige Ring ist allerdings unbeweglich, während man in Liege das Ungetüm dank perfekter Hydraulik sogar auf die Kante stellen kann. Dann nimmt er das ganze Bühnenportal ein.
Der Steinring ist zwar abstrakt, aber aus ihm lassen sich symbolträchtige Bühnenräume erschaffen: Mit Bücherbergen ausstaffiert wird er zu Fausts Studierstube, in der Gartenszene ist er mit zwei verdorrten Bäumen bestückt, und das Gewirr aus Seilen macht ihn im Finale zu Margaretes Gefängnis. Diese Umbauten sorgen aber dafür, dass zwei Pausen benötigt werden und die Aufführung vier Stunden dauert.
In Liege ist erneut eine hochkarätige Sängerbesetzung zu erleben: Marc Laho singt die Titelrolle mit schlankem und ausdrucksvollem Tenor. Er besitzt alle Töne und Schattierungen, die für die Rolle benötigt werden, doch könnte seine Stimme mehr Farbschattierungen vertragen. Als Mephisto glänzt Ildebrando d´Arcangelo. Er spielt die Partie mit der Souveränität eines Mafia-Bosses und singt sie mit dunkel strömendem Bassbariton, der stets eine untergründige Bedrohung ausstrahlt.
Da die Premierenbesetzung der Marguerite erkrankt, übernimmt Chloé Chaume die Rolle und gliedert sich perfekt in das Ensemble ein. Ihr Sopran leuchtet klar, doch schwingen bei ihr auch immer Trauer und unerfüllte Sehnsucht mit. Die tragischen Momente ihrer Rolle singt Chaume mit großer Leidenschaft. Die Partie des Valentin wird von Lionel Lhote schön gesungen, doch die Rolle wirkt hier eher wie ein grübelnder Philosoph als ein erfahrener Soldat. Große Auftritte hat der von Pierre Iodice einstudierte Chor.
Am Pult des Orchesters der Opera Royal Liege steht Patrick Davin. Im ersten Akt betont er besonders die dunklen Farben der Partitur. In den großen Chorszenen bekommt der Abend dann aber Schwung und Pfiff. In dem Liebesduett der Gartenszene lässt Davin das Orchester im puren romantischen Wohlklang schwelgen.
Als nächste Produktion gibt es in Liege einen echten Blockbuster: Giuseppe Verdis „Aida“ in einer Inszenierung von Intendant Stefano Mazzonis de Pralafera. Wie man den Hausherren kennt, wird es viel Pomp auf der Bühne geben. Vom 26. Februar bis 14. März sind zehn Vorstellungen in Luxus-Besetzung angesetzt.
Fotos © Opéra Royal de Wallonie-Liège
Rudolf Hermes 2.1.2019