9. Oktober 2021 Semperoper Dresden
Solisten der Staatskapelle bieten außergewöhnliches Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven
Im ersten Teil des Konzertes stand Ludvig van Beethovens „Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op.56“ auf dem Programm.
Dem, umgangssprachlich schlicht als Beethovens Tripelkonzert bezeichneten, in der Originalausgabe von1807 aber als „Grand Concerto Concertant“ betitelten Konzert für Klavier, Violine und Violoncello C-Dur op. 56 wird oft die unausgeglichene Behandlung der drei Solo-Partien vorgeworfen. In der solistischen Triogruppe fällt der unproblematische flüssig gehaltene Klavierpart im Gegensatz zum differenzierten Streicherduo auf. Noch immer kann man lesen, Beethoven habe mit der geradlinigen Gestaltung des Klavierparts seinem prominenten Klavierschüler Erzherzog Rudolph (1788-1831) die Möglichkeit eines solistischen Auftritts verschaffen wollen, während als Streicher Berufsmusiker vorgesehen waren.
Inzwischen gilt diese Anekdote als vom zeitweiligen Sekretär und späterem Biographen Beethovens Anton Schindler (1795-1864) gut erfunden, denn in früheren Quellen gibt es keine diesbezüglichen Hinweise. Auch habe der Komponist den Erzherzog erst 1808 kennen gelernt. Offenbar wollte nämlich Beethoven das Konzert vom Klavier aus leiten und trotzdem die Übersicht behalten.
Es besteht auch der Verdacht, dass der unkonventionelle Beethoven das Tripelkonzert überhaupt nicht für das Konzertrepertoire gedacht habe und eigentlich nur ein Paradestück für den Geiger Carl August Seidler (1778-1840) und vor allem dem ihm befreundeten Cello-Virtuosen Antonín Kraft (1749-1820) komponieren wollte.
Auch konnte ich keine Hinweise finden, ob und wie das Tripelkonzert unmittelbar nach der Entstehung 1804 in Wien aufgeführt worden ist. Erst, nachdem ein Klaviertrio eine kammermusikalische Aufführung vorgestellt hatte, kam mit einem Konzert am 18. Februar 1808 im Gewandhaus zu Leipzig eine Uraufführung zustande. Aber auch dann verblieben weitere zwölf Jahre bis zum nächsten Einsatz des Werkes.
Häufig wird die Überbetonung der Solisten gegenüber einem schwunglosen Orchesterpart erwähnt und dass andererseits die Streicherpartien „mehr schwierig als dankbar“ seien.
Der Cello-Solist unseres Konzertes, Norbert Anger, reklamierte die Komposition folglich für sein Instrument als „verstecktes Cellokonzert“, übernahm umgehend die Führung des Solisten-Trios. Hatte ihm doch Beethoven in der Partitur mit der Vorstellung der meisten Themen und dem zweiten Satz „Largo“ exzellente Vorlagen geliefert.
Sein Cello aus der Werkstatt des ersten bekannten neapelionischen Instrumenten-Meisters Alessandro Gagliani (1660-1725) begeistert mit seinem faszinierenden Klangbild.
Trotzdem missbrauchte der Cello-Virtuose seine komfortable Position nicht und ließ seinen Partnern ausreichend Platz für ihr Spiel. Unser Konzertmeister und inzwischen als Solist bewährter Matthias Wollong war ihm dabei mit seinem Instrument aus der Werkstatt von Andrea Guarnari (um 1626-1698) aus dem Jahre 1676 gleichberechtigter und immer wacher aufmerksamer Partner.
Mit der Doppelfunktion von Myung-Whun Chung als Klaviersolist und Orchesterleiter war mit der Aufführung die Komposition auf ihre Ursprünge zurückgeführt worden, auch wenn er als Dirigent von Thomas Meining und Holger Grohs hervorragend unterstützt wurde.
Es war faszinierend, zu erleben, wie konzentriert und gleichzeitig entspannt unsere „Hausgewächse“ miteinander musizierten. Ihr Zusammenspiel baute die Spannungen zwischen den drei oft kammermusikalisch gefärbten ausdrucksstarken Solopartien auf, ohne dem Orchesterpart seiner Bedeutung zu berauben.
Mit schlanker Klanggebung, sensiblen Tempovariationen und perfekt gesetzten Akzenten brachte sich das Orchester als vierter Partner ins Spiel
Letztlich war eine spannende und zugleich entspannte kompakte Aufführung entstanden, die der “Viererkonferenz“ im Konzertrepertoire ihre Daseinsberechtigung bescheinigte. Welches Orchester kann eine derartige Leistung aus eigener Kraft aufbringen?
Für mich stellte das gestrige Konzert damit in einem gewissen Gegensatz zur oft zitierten „Referenzeinspielung“ des Herbert von Karajans von 1969 dar, über deren Entstehung der dort als Cellist tätige Mstislav Rostropowitsch in seinen Memoiren spottete: „Ich habe versucht Beethoven zu spielen. David (Oistrach) hat geglaubt er spielt Beethoven. Svjatislav (Richter) spielte wie immer nur sich selbst und Karajan glaubte, er sei Beethoven.“
Eine packende Interpretation der vierten Symphonie von Johannes Brahms des Ersten Gastdirigenten mit einer begeisternden Leistung des Orchesters rundete das Konzert ab.
Autor der Bilder: Matthias Creutziger
Thomas Thielemann, 11.10.2021