Braunschweig, Burgplatz: „Il Trovatore“, Giuseppe Verdi

Lieber Opernfreund-Freund,

seit mehr als 20 Jahren bespielt das Staatstheater Braunschweig den mittelalterlichen Burgplatz der Stadt und wartet in diesem Jahr mit einem Historiendrama auf, das in diese Zeit passt: Verdis Il Trovatore klingt seit dem 24. August fast allabendlich durch die Straßen der Altstadt und ich habe mir diese Produktion als meine erste der neuen Spielzeit am vergangenen Sonntag gerne für Sie angesehen.

© Joseph Ruben Heicks

In das arenenartige Rund der Zuschauertribüne hat sich Regisseur Jan Eßinger von Marc Weeger drei Podeste stellen lassen, die sich bisweilen drehen und auf denen er die Handlung abspielen lässt. Die Kostüme von Natascha Maraval sind dabei an mittelalterliche Mode angelehnt. Eßinger stellt Azucenas Rache in Zentrum seiner Inszenierung: deren Geister der Vergangenheit, die tote Mutter – auf dem Scheiterhaufen verbannt – und der eigene Sohn, den sie selbst versehentlich ins Feuer warf, sind allgegenwärtig. Durchzogen ist der Bühnenboden von tiefen Gräben, die die pink gewandeten Nonnen im letzten Akt mit Blut füllen dürfen, das der Chor zwei Bilder zuvor an die Wände rund um den eingebauten Braunschweiger Burglöwen geschmiert hat. Wirklich sinnstiftend ist das nicht und erhellend bei der Entwirrung der Handlung auch nicht – aber es schafft eine gespenstische Atmosphäre. Den Rest besorgen die sich herabsenkende Nacht und das ausgefeilte Licht – selbst die imposanten Scheiben des Braunschweiger Doms sind in wechselnden Farben von Innen beleuchtet – und natürlich der unter die Haut gehende Gesang von Marina Prudenskaya, die an diesem Abend (die Hauptrollen sind aufgrund der vielen Aufführungen gleich dreifach besetzt) die Azucena verkörpert.

© Joseph Ruben Heicks

Schon ihr Stride la vampa verschafft mir einen Schauer nach dem anderen und auch in den folgenden Akten zeigt sie alle Facetten ihrer Figur zwischen Rachedurst und Mutterliebe, füllt sie vollends aus mit ihrem imposanten Mezzo und macht Azucenas Verzweiflung förmlich greifbar. Leonardo Caimis Tenor verfügt über samtene Farben, mit denen er dem Manrico Seele verleiht, und auch der aus Bukarest stammende Serban Vasile rührt mich mit seinem weichen Bariton mit Il balen del suo sorriso fast zu Tränen, um ansonsten in Lunas Ausbrüchen mit enormer Kraft aufzutrumpfen. Aurelia Florian beginnt verheißungsvoll mit Leonoras Auftrittsarie voller traumhafter Piani, bleibt aber dann über weite Teile des Abends recht eindimensional. Erst im Schlussbild zeigt sie wieder, dass sie nuancieren kann, und beschert mir mit einem herrlichen Prima che d’altri vivere die letzte Gänsehaut des Abends.

GMD Srba Dinić befeuert die Musikerinnen und Musiker des Staatsorchester Braunschweig zu einer glutvollen Verdiinterpretation. Dass es in den Chorszenen nicht immer ganz synchron und klanglich nicht ganz so imposant wie in einem Opernhaus zugeht, mag der weitläufig bespielten Bühne geschuldet sein und bleibt nur ein kleiner Wermutstropfen.
Meine Spielzeit 2024/25 hat musikalisch hochklassig begonnen, szenisch ist jedoch noch Luft nach oben.

Ihr Jochen Rüth, 2. September 2024


Il Trovatore
Oper von Giuseppe Verdi

Braunschweig
Burgplatz Open Air

Premiere: 24. August 2024
besuchte Aufführung: 1. September 2024, 19:30 Uhr

Regie: Jan Eßinger
Musikalische Leitung: Srba Dinić
Staatsorchester Braunschweig

Trailer

Weitere Vorstellungen: täglich außer Montag bis zum 11. September, zwei Vorstellungen am 8. September.