Premiere am 30.05.2015
Puccini-Rarität in origineller Inszenierung
Selbst wenn die Deutsche Oper Berlin auch gerade Puccinis Oper „La Rondine“ („Die Schwalbe“) herausgebracht hat, ist sie auf den Bühnen doch eine veritable Rarität. Das Stadttheater Bremerhaven stellt sie in einer originellen Inszenierung vor.
Wunderbare Kantilenen, melodischer Reichtum, große Chorszenen und eine sentimentale Herz-Schmerz-Geschichte – eigentlich ist es nicht zu verstehen, dass Giacomo Puccinis Oper „La Rondine“ („Die Schwalbe“) so selten gespielt wird. Auch in Bremerhaven erklang sie erstmalig. An der Musik liegt es jedenfalls nicht. Sie ist bester Puccini, auch wenn stellenweise (bei Walzerthemen) durchaus zu hören ist, dass die „Rondine“ ursprünglich eine Operette werden sollte. Auch das Vorspiel zum 3. Akt zeigt die Nähe zu Franz Lehar. Aber letztlich ist das Werk mit seinen leidenschaftlichen Duetten und Arien und mit dem Chor im 2. Akt doch eine richtige Oper geworden, die mitunter an „La Boheme“ erinnert und in der Instrumentation auch schon auf „Gianni Schicchi“ verweist. Puccini hat sein Werk als „Lyrische Komödie“ bezeichnet.
Vielleicht liegt die Seltenheit der Oper eher am Libretto, denn an Handlung passiert nicht viel. Zunächst wird mit dem Dichter Prunier über die Liebe philosophiert, dann verlieben sich Magda, die Geliebte Rambaldos, und der junge Ruggero ineinander, um sich dann, wenn Ruggero das Thema Ehe anschneidet, wieder zu trennen. Für den Schluss gibt es mehrere Fassungen. Eigentlich lässt Magda den völlig verzweifelten Ruggero zurück, aber in der in Bremerhaven gespielten Version verstößt Ruggero seine Geliebte.
Dass Magda eigentlich eine Kurtisane ist, fällt in der Inszenierung von Philipp Kochheim unter den Tisch. Er hat für die Geschichte eine „zweite Ebene“ eingezogen, indem er die Handlung in einem Opernhaus spielen lässt und wir uns in den Akten zunächst auf einer Konzeptionsprobe, dann auf einer Bühnenprobe und schließlich nach der fiktiven Premiere in der Künstlergarderobe befinden. Der Dichter Prunier fungiert hier als Regisseur, Rambaldo ist der Intendant. Ruggero ist hier ein Tenor, der zum Vorsingen erscheint. Er wird mit der effektvollen Arie „Parigi ė la città die desideri“ eingeführt, die aus der 2. Fassung der „Rondine“ übernommen wurde.
Kochheims Sichtweise ist sehr geschickt, denn dadurch sind die Gefühle per se zunächst nur gespielt und die Grenzen zwischen Schein und Realität sind fließend. Es ist sehr reizvoll, zu „raten“ wann und ob wirkliche Liebe ins Spiel kommt. Und das Konzept geht überraschend gut mit dem eigentlichen Inhalt der Oper überein. Kochheims Personenführung ist sehr ausgefeilt und spart nicht mit kleinen Persiflagen auf den Opernbetrieb. Barbara Bloch hat dazu helle, freundliche Bühnenräume geschaffen, wobei im 2. Akt ein riesiges Bett als Spielwiese dient.
Die bekannteste Arie ist „Che il bel sogno di Doretta“, die von Katja Bördner mit traumwandlerischer Sicherheit und ätherischem Höhenglanz gesungen wurde. Ihre Gestaltung der Magda, elegant im Hosenanzug und lässig eine Zigarette rauchend, faszinierte gesanglich und darstellerisch, wobei sie sehr deutlich machte, wie ihre Gefühle sich wandelten. Als Ruggero gastierte Daniel Szeili, dessen Tenor mit schöner Mittellage erfreute. Aber er differenzierte zu wenig und hatte in den Höhen deutliche Probleme. Schade, dass man die Partie nicht Tobias Haaks gegeben hat, der als Prunier mit weichem und schmelzreichem Tenor rundum überzeugte. Die von ihm verehrte Lisette fand in Regine Sturm eine quirlige, kokette Interpretin (alternativ mit Réka Kristóf besetzt). Filippo Bettoschi sang den Ramboldo (eigentlich ein reicher Bankier) sehr souverän und sicherte der Figur sogar Sympathie. In kleineren Partien sammelten Studentinnen der umliegenden Hochschulen für Musik erfolgreich erste Bühnenerfahrungen: Santa Bulatova (Bremen), Helena Castro.Ferreira (Hamburg) und Anna-Doris Capitelli (Hannover).
Marc Niemann und die Bremerhavener Philharmoniker erweckten Puccinis süffige und melodienselige Musik mit Herzblut zum Leben. Anfangs war der Orchesterklang noch etwas herb, aber dann tauchten sie mit viel Sinn für die großen Aufschwünge in Puccinis Klangwelten ein. Besonders großartig gelangen die Chorszenen des 2. Aktes (in der hervorragenden Einstudierung von Jens Olaf Buhrow) und das berührende Finale. Wer Puccini liebt, sollte sich die Aufführung auf keinen Fall entgehen lassen.
Wolfgang Denker, 31.05.2015
Fotos von Heiko Sandelmann
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