Aufführung am 14.11.18 (Premiere am 4.11.)
Die Wiederaufnahme dieser gefeierten Inszenierung aus Aix-en-Provence, die an der Scala im Juni 2014 zu sehen war, stand insofern nicht unter einem guten Stern, als Christoph von Dohnányi nur die Premiere leiten konnte (wobei sein Dirigat von mehreren Seiten als als extrem kühl bezeichnet wurde).Vor der ersten Reprise erlitt der 89-Jährige einen Kollaps, und dem Vernehmen nach musste ihm ein Herzkatheter eingesetzt werden.
Für ihn sprang in den Folgeaufführungen der mit der Uraufführung von Kurtágs „Fin de partie“ beschäftigte Markus Stenz ein. Die besuchte Vorstellung war die vierte der Serie und lief ohne Probleme im Orchester des Hauses ab. Welche Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede es in der musikalischen Interpretation gab, kann ich natürlich nicht beurteilen; jedenfalls ein korrektes Dirigat, dem nur ein wenig der zündende Funke fehlte.
Auch die Regie von Patrice Chéreau schien mir weniger eindrücklich als in der Erinnerung. Sie wurde diesmal von Peter McClintock betreut und machte in dem wieder imposant-abstrakten Bühnenbild von Richard Peduzzi eher den Eindruck einer getreuen Nachstellung, als den einer mit heißem Atem erfüllten Erzählung. Von der seinerzeitigen Besetzung waren Renate Behle als Aufseherin und Vertraute, Bonita Hyman als Erste und Roberta Alexander als Fünfte Magd erhalten geblieben. Ihnen zur Seite standen nun Judit Kutasi (Zweite Magd und Schleppträgerin), Violetta Radomirska (Dritte Magd) und Anna Samuil (Vierte Magd).Trotz verlässlicher Leistungen wollte sich der starke Eindruck von früher nicht einstellen. Das gilt umso mehr für den Alten Diener (Ernesto Panariello) und den (durchaus würdigen) Pfleger des Orest (Frank van Hove), waren diese Rollen doch vor vier Jahren durch Sir Donald McIntyre und Franz Mazura wahrgenommen worden. (Allerdings kann es der Scala nicht angekreidet werden, dass die beiden alten Herren nicht mehr zur Verfügung standen). Michael Laurenz sang vehement und verlässlich die Phrasen des Jungen Dieners.
Als Klytämnestra war Waltraud Meier die Einzige in einer Hauptrolle, die nicht neu besetzt war. Sie gab in ihrem hocheleganten Kostüm (Caroline de Vivaise) wieder die verletzliche, (auch) die Liebe ihrer Kinder suchende Frau und nicht die aufgeschwemmte Furie. Leider ist ihre Mittellage noch schwächer geworden, sodass nur die Spitzentöne gut vernehmbar waren. Ein interessantes Rollenporträt lieferte sie allemal. Regine Hangler sang eine Chrysothemis mit wunderbar aufblühender Höhe, und man fragt sich, warum die zum Ensemble der Wiener Staatsoper gehörende Sängerin dort nicht öfter in Erscheinung tritt. Als Elektra gab Ricarda Merbeth ihr Rollendebüt und zeigte sich der wohl kraftraubendsten aller Sopranpartien mehr als gewachsen. Mit unglaublichen stimmlichen Reserven hielt sie den Abend mit scheinbarer Mühelosigkeit durch und spielte auch gut. Dass Evelyn Herlitzius vor vier Jahren mehr schauspielerisches Charisma hatte, steht auf einem anderen Blatt. Richtig spannend wurde der Abend erst mit dem Auftritt des Orest, dem Michael Volle seinen schönen, breiten Bariton und eine exemplarische Diktion lieh. Die Erkennungsszene war eindeutig der emotionale Höhepunkt. Ein ausgezeichneter Aegisth war Roberto Saccà, der den arroganten Herrn des Hauses eindrücklich verkörperte.
Das eher schütter besetzte Haus hätte ruhig mehr Beifall spenden dürfen.
Eva Pleus 18.11.18
Bilder: Brescia&Amisano / Teatro alla Scala