Aufführung am 16.10.18 (Premiere am 8.10)
Dieses in deutschsprachigen Ländern auch als „Die Gärtnerin aus Liebe“ bezeichnete Werk schrieb Mozart mit 19 Jahren, noch beeinflusst vom Stil der italienischen Buffa, aber auch schon in Richtung der sogenannten opera semiseria gehend, in der dramatische Ereignisse von heiteren Szenen konterkariert werden. Diese Form sollten dann Rossini und Donizetti zur höchsten Entwicklung bringen. Die Genrebezeichnung lautet denn auch „dramma giocoso“, also heiteres Drama.
Der Text der Oper von Giuseppe Petrosellini, Dichter am Hofe des Papstes, wurde, ein Jahr vor Mozarts Komposition, 1774 von Pasquale Anfossi unter dem selben Titel vertont. (Anfossis rund 40 Opern hatten nicht nur in Italien Erfolg, sondern fanden auch ihren Weg nach Wien, Paris oder Dresden). Mozart übernahm das Libretto für das Auftragswerk des Bischofs von Chiemsee für den Münchner Hof fast unverändert. Die Uraufführung fand im Jänner 1775 am Münchner Salvatortheater statt und erzielte einen so guten Erfolg, dass mit Mozarts Zustimmung eine Übersetzung ins Deutsche für die wandernde Sängertruppe von Johann Böhm erstellt wurde, wodurch das Werk u.a. nach Frankfurt, Mainz, Bremen, Leipzig, aber auch Prag, Berlin und Graz gelangte. Später stand die dreiaktige Oper im Schatten von Mozarts genialen Werken auf die Texte von Lorenzo Da Ponte.
Die Figuren entsprechen den Vorgaben des Genres: Ein „hohes“ Paar (Arminda-Ramiro), ein tragikomisches (Sandrina-Belfiore) und ein Dienerpaar (Serpetta-Nardo). Dazu gesellt sich Don Anchise, der am Schluss genasführt zurückbleiben wird. Die einzige tiefe Stimme gehört Nardo, denn auch Don Anchise ist kein Bassbuffo, wie man erwarten würde, sondern Tenor. Belfiore und Ramiro wurden bei der Uraufführung von Kastraten gesungen, welche Rollen hier von einem Tenor (Belfiore) und einem Mezzo (Ramiro) wahrgenommen wurden. Im Übrigen zeigt die Handlung die üblichen Irrungen und Wirrungen zwischen Liebesleuten; nur der Grund für die Verkleidung der Marchesa Violante als Sandrina, die Gärtnerin, ist etwas makaber, denn sie will Belfiore, der aus Eifersucht auf sie eingestochen (!) hatte und sie für tot hält, zurückerobern. Es gibt für alle Beteiligten mit Ausnahme von Serpetta/Nardo Arien der Traurigkeit, des Zorns, der Enttäuschung, reich an Koloraturen und technischen Schwierigkeiten. Das weniger hochstehende Personal hingegen streitet in munteren Tönen.
Die musikalische Wiedergabe war unter der Leitung des Barockspezialisten Diego Fasolis überaus reizvoll, denn das „historisch informierte“ Spiel des Orchesters der Scala auf historischen Instrumenten war eine klangliche Freude. Mozart wurde ohne jede romantische Beigabe gespielt, klang aber auch nicht steril, sondern es gab einen vollsaftigen Klang zu hören. Die Titelrolle wurde von Hanna-Elisabeth Müller mit intensivem Gefühl und ausgezeichneter technischer Beherrschung gesungen. Es wurde klar, dass nur sie, die „finta“ (vorgebliche), sie selbst ist und bleibt, während alle anderen sich nach dem Wind drehen. Als ihr Belfiore bot Bernard Richter eine gute Leistung, die man nicht als ausgezeichnet bezeichnen kann, weil er bei der dramatischen Koloratur immer wieder an Grenzen stieß. Als Arminda, Rivalin Sandrinas um die Gunst Belfiores, machte Anett Fritsch einen besseren Eindruck als im „Fierrabras“. Die geläufige Gurgel scheint ihr besser zu liegen als Schuberts Lyrismen. Ramiro wurde von Lucia Cirillo mit warmem Mezzo und hervorragender Technik sehr schön gesungen. Schade, dass die Stimme nicht ein wenig größer ist. Das Buffopaar fand in Giulia Semenzato und Mattia Olivieri ganz ausgezeichnete Vertreter, die ihren Zänkereien auch stimmlich viel Pep verliehen. Kresimir Spicer war ein mehr als passabler Don Anchise.
Die Produktion stammt aus Glyndebourne, wo sie 2014 mit großem Erfolg gezeigt wurde und den Durchbruch des jungen britischen Regisseurs Frederic Wake-Walker mit sich brachte. Nach der enttäuschenden Regie von „Le nozze di Figaro“ hier vor zwei Jahren war man wirklich gespannt, wie diese umjubelte Produktion aussehen würde. Nun, seine Inspiration bezog er aus Schloss Nymphenburg, denn er ließ sich von Antony McDonald einen Festsaal dieses Lustschlosses nachbauen, der sich erst gegen Ende des 2. Aktes mittels nach und nach einstürzender Mauern in einen herbstlichen Wald verwandelt (dorthin war Sandrina von ihrer Rivalin verbracht worden und wird nun von den anderen Personen gesucht). Ein in jedem Augenblick atmosphärisches Ambiente, unterstützt durch die phantasievollen, manchmal grotesk zugespitzten Kostüme des selben Künstlers. Bedeutend ist auch der Beitrag von Lucy Carter für die Lichtstimmungen. Wake-Walker lässt immer wieder übertriebene Posen einnehmen, die aber von den Sängern mit großer Selbstverständlichkeit umgesetzt wurden.
Im Ganzen eine hübsche Produktion, aus der wieder einmal viel zu viele Zuschauer flüchteten.
Eva Pleus 20.10.18
Bilder: Brescia&Amisano / Teatro alla Scala